Inhaltsverzeichnis
Sorgenkind Glücksspielstaatsvertrag: Korrekturen dringend erforderlich!
Als am 1. Juli 2021 der neue Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2021) in Kraft trat, sollte damit ein langwieriger Prozess enden. Zuvor hatten die 16 deutschen Bundesländer lange Zeit vergeblich versucht, sich auf eine tragfähige Reform der gesetzlichen Bestimmungen zu verständigen. Es sollten endlich verbindliche und bundesweit einheitliche Regelungen gefunden werden und der Markt rechtssicher, effektiv und verständlich reguliert werden.
Im Juni 2022 – also beinahe ein Jahr nach dem Inkrafttreten – zeigt sich jedoch, dass es teilweise noch immer erhebliche Probleme bei der Umsetzung des neuen Regelwerks gibt. Außerdem weist der neue Staatsvertrag nach Meinung von Experten verschiedene Schwachstellen auf, die es schnellstmöglich zu beheben gelte. Ein Ende der Debatten und Diskussionen um die Regulierung des Glücksspiels in Deutschland ist also noch lange nicht in Sicht. Für zusätzlichen Ärger könnte dabei sorgen, dass sich in Zukunft nicht länger die Ministerpräsidenten und Chefs der Staats- und Senatskanzleien um das Thema kümmern sollen, sondern die Aufgabe den Innenministerien zufallen wird. In unserem kurzen Rück- und Ausblick erklären wir dir, warum Beobachter dies kritisch sehen.
Rückblick: Uneinigkeit und Scheitern
Die Regulierung und Ordnung des Glücksspiels ist in Deutschland laut Art. 70 des Grundgesetzes Ländersache. Damit in Deutschland ein bundesweit einheitliches Vorgehen beim Glücksspiel möglich ist, müssen sich die 16 Bundesländer also auf ein gemeinsames Regelwerk verständigen. Dies hat in den vergangenen Jahren immer wieder zu Problemen und Konflikten geführt. Nachdem am 1. Januar 2008 der erste Glücksspielstaatsvertrag in Kraft getreten war, sollte Ende 2011 der erste gemeinsame Änderungsvertrag beschlossen werden. Doch das Land Schleswig-Holstein scherte vorübergehend aus und ging einen eigenen Weg. Nach einem Regierungswechsel infolge der Landtagswahl 2012 schloss sich letztlich jedoch auch das nördlichste deutsche Bundesland dem Vertrag an. In der Zwischenzeit waren jedoch bereits erste Lizenzen durch das Land vergeben worden. Du kennst vielleicht den Spruch aus der Werbung “Nur für Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort in Schleswig-Holstein” – dieser Sonderstatus geht noch auf die beschriebenen Entwicklungen 2011/2012 zurück.
Doch auch nach dem verspäteten Beitritt Schleswig-Holsteins zum ersten Änderungsvertrag endeten die Probleme nicht: Denn im Jahr 2017 scheiterte die Ratifizierung des zweiten Änderungsvertrags an Nordrhein-Westfalen und erneut Schleswig-Holstein. Der dritte Änderungsvertrag konnte hingegen ratifiziert werden und trat am 1. Januar 2020 in Kraft. Jedoch stellte er vielfach nur eine Übergangslösung dar, sodass noch vor seinem Inkrafttreten die Arbeit an einem neuen, grundlegenden Vertrag begonnen wurde.
Der mühsame und langwierige Weg zum GlüStV 2021
Doch der Weg zum neuen Glücksspielstaatsvertrag war mühsam und kompliziert, schließlich galt es verschiedene Partei- und Länderinteressen auszugleichen und eine tragfähige Lösung zu finden. Doch letztlich gelang es: Am 17. und 18. Januar 2020 konnten sich Vertreter der 16 Bundesländer bei einem Treffen der Chefs der Staats- und Senatskanzleien am Tegernsee auf einen neuen Vertrag verständigen. Dass es letztlich doch geklappt hat, wird von Beobachtern häufig auf zwei Gründe zurückgeführt. Zum einen sei der Druck auf die handelnden Personen einfach zu groß geworden, zum anderen hätten sich endlich die Ministerpräsidenten und Chefs der Staatskanzleien der Sache angenommen. Felix Holtermann schrieb seinerzeit etwa im Handelsblatt, “der Durchbruch [sei] unter Federführung der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei [...] um Staatskanzleichef Nathanael Liminski (CDU)” erzielt worden. Nachdem im März 2020 auch die Ministerpräsidenten dem Vertrag ihre grundsätzliche Zustimmung gegeben hatten, musste er noch durch die Landesparlamente ratifiziert werden. Mindestens 13 Länder sowie das Land Sachsen-Anhalt als Sitz der neuen Aufsichtsbehörde mussten zustimmen, damit der Vertrag tatsächlich wirksam werden konnte. In einem langwierigen Verfahren wurde der GlüStV 2021 schließlich von allen 16 Ländern ratifiziert und zusätzlich durch die EU notifiziert. Zum 1. Juli 2021 konnte er somit tatsächlich in Kraft treten.
Neue Probleme und weiterhin bestehende Schwierigkeiten
Inzwischen ist der neue Staatsvertrag seit fast einem Jahr in Kraft und die Kritik wird lauter. Bemängelt werden zum Beispiel die schleppende Umsetzung sowie die Verzögerungen beim Aufbau der neuen Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) in Halle (Saale) und bei der Erteilung der Zulassungen an die Anbieter von virtuellen Automatenspielen. Zudem befürchten Experten, dass die aktuell vorgesehene Spieleinsatzsteuer die wettbewerbsfähigkeit der legalen Anbieter erheblich schmälern und so Spieler in den Schwarzmarkt und damit in die Arme illegaler Anbieter treiben könnte. Sie plädieren daher für eine Anpassung und schlagen stattdessen die Besteuerung des Bruttospielertrags vor. Auch an anderen Stellen besteht Nachholbedarf: Der GlüStV 2021 sieht zum Beispiel im Bereich der Online-Casino-Spiele vor, dass die Länder hier weitestgehend unabhängig voneinander Entscheidungen und Regelungen treffen können. Dies könnte natürlich dazu führen, dass sich die Bestimmungen von Land zu Land stark unterscheiden und damit eben keine bundeseinheitliche Regulierung stattfindet, sondern in Deutschland einmal mehr die Kleinstaaterei um sich greift.
Die genannten Punkte zeigen: Der Staatsvertrag ist noch lange nicht fertig, es gibt noch immer Probleme zu beseitigen. Doch in der Politik scheint hier eine andere Ansicht vorzuherrschen. Für zusätzlichen Verdruss auf Seiten von Spielern und Anbietern sowie Irritationen bei den Experten sorgt nämlich aktuell, dass zukünftig das Thema von den Innenministern betreut werden soll – und eben nicht weiterhin von den Ministerpräsidenten und Chefs der Staatskanzleien, die ja letztendlich den Durchbruch beim Ringen um den neuen Glücksspielstaatsvertrag geschafft hatten.
Fazit: Keine Experimente – Zuständigkeiten beibehalten und Vertrag kontinuierlich weiterentwickeln!
Dies weckt bei Beobachtern unschöne Erinnerungen an das ewige Hin und Her und das mehrmalige Scheitern der Änderungsverträge. Sie sind daher der Meinung, dass sich weiterhin die Regierungschefs und Chefs der Staatskanzleien um den Glücksspielstaatsvertrag und seine Weiterentwicklung kümmern sollten, damit die Zuständigkeiten klar geregelt sind und das oben beschriebene Chaos hoffentlich endgültig der Vergangenheit angehört. Ein möglicher Lösungsansatz ist von dem Vorgehen der Länder beim Medienstaatsvertrag inspiriert: Die Chefs der Staatskanzleien könnten etwa einmal im Jahr zusammenkommen, sich bezüglich fraglicher Aspekte und Paragraphen abstimmen und den Glücksspielstaatsvertrag so kontinuierlich weiterentwickeln.