Inhaltsverzeichnis
Wer an Glücksspiele denkt, sieht vor seinem geistigen Auge meist Spielkarten, Würfel, Roulette-Kessel und Spielautomaten. In unserer zunehmend digitalen Welt findet das Prinzip Glücksspiel jedoch auch in anderen Bereichen statt. Der Kauf sogenannter „Shitcoins” ist ein wenig thematisiertes Beispiel hierfür.
Mit der im Juni 2023 in Kraft getretenen Verordnung über Märkte für Crypto-Werte (MiCA) hat die EU begonnen, den Handel mit Kryptowährungen strenger zu überwachen und regulieren. Dieses Netz der Regulierung bleibt jedoch bislang sehr grobmaschig. So fallen dezentrale Börsen (DEXES) nicht unter die MiCA-Regulierung. Illegal sind sie nicht.
Strenge Limits auf regulierten Börsen
Anders als bei den regulierten, zentralen Börsen (CEXES) lassen sich über dezentrale Börsen und damit verbundene Krypto-Wallets unbegrenzt Coins und andere „digitale Vermögenswerte” kaufen. Der Handel erfolgt komplett anonym, eine Verifizierung oder Altersprüfung ist meist nicht notwendig.
Bei EU-regulierten Börsen wie Bitpanda, Kraken, OKX oder Bitvavo ist das nicht der Fall. Wer diese Plattformen und Apps nutzen möchte, muss sich umfassend verifizieren. Dieser Vorgang gleicht der Registrierung und Verifizierung bei legalen Online-Glücksspiel-Anbietern.
Nutzer müssen sich mit einem offiziellen Identifikations-Dokument ausweisen, ihre Volljährigkeit belegen und einen deutschen Adressnachweis vorlegen. Zudem ist es Pflicht, Fragen zur Herkunft der künftig genutzten Gelder sowie zu den Beweggründen der Plattform- und Krypto-Nutzung zu beantworten.
Wer sich erfolgreich verifiziert, erhält Zugang zu einer begrenzten Auswahl an Kryptowährungen. Unproblematisch ist der Handel mit Bitcoin, Ethereum, XRP, Solana, Cardano und sonstigen fest etablierten Coins. Auch sogenannte Memecoins wie Dogecoin, Shiba Inu oder Pepe können ohne Hürden bei den regulierten Anbietern gehandelt werden.
Begriffsklärung: Altcoins, Meme-Coins und Shitcoins
In der Welt des Krypto-Handels gibt es verschiedene offizielle und inoffizielle Kategorien von Coins, also verschiedener „Währungen”. Der Urgroßvater aller heute existierenden Krypto-Währung ist natürlich der Bitcoin (BTC).
Bitcoin: Das Bitcoin-Netzwerk wurde im Januar 2009 gelauncht, mit dem Ziel, eine dezentrale Peer-to-Peer-Währung zu kreieren, die zudem inhärenten Schutz vor Inflation bietet. Bitcoin ist auf 21 Millionen Coins begrenzt, von denen bislang 19,9 Millionen geschürft wurden.
Aufgrund des sogenannten Halving-Zyklus, bei dem bei jeder erfolgreichen Schürfung zunehmend weniger Bitcoin auf den Markt kommen, wird der letzte Satoshi, die Untereinheit des Bitcoins, erst im Jahr 2140 freigegeben. Ein Bitcoin besteht aus insgesamt 100 Millionen Satoshi, benannt nach dem mutmaßlichen Gründer des Netzwerks, Satoshi Nakamoto.
Bitcoin ist in der Welt der Kryptowährungen einzigartig und wird aufgrund der unveränderbaren Begrenzung auch als „digitales Gold” bezeichnet.
Altcoins: Die ersten Altcoins kamen ab 2011 auf den Markt, als der Bitcoin-Preis noch bei wenigen US-Dollar stand. Das „Alt” in Altcoins steht für „alternative” und beschreibt grundsätzlich jede Kryptowährung, die schlichtweg nicht Bitcoin ist.
Altcoins wurden ursprünglich geschaffen, um technische Anwendungsbereiche wie Smart Contracts, dezentrale Finanzsysteme (DeFi) oder dezentrale Apps (dApps) zu ermöglichen. In der Praxis nutzen jedoch viele Anleger sie vor allem als Handelsobjekte, in der Hoffnung, sie später mit Gewinn wieder zu verkaufen.
Meme-Coins: Die sogenannten Meme-Coins kamen ebenfalls nur wenige Jahre nach Bitcoin auf den Markt. Anders als die klassischen Altcoins haben Meme-Coins keinen technischen Nutzen. Sie basieren auf Internet-Memes und werden häufig von bekannten Persönlichkeiten gelauncht und gehyped.
Shitcoins: Der Begriff Shitcoins hingegen bezeichnet in erster Linie die Millionen enorm kurzlebiger Coins ohne jedweden Anwendungszweck und ohne inhaltliche/thematische Substanz. Teils überschneidet sich dies auch mit Meme-Coins, wobei Shitcoins oft noch „billiger” sind, mit Stückpreisen von bspw. 0,000006 USD.
Unreguliertes Glücksspiel an dezentralen Börsen
Auf den regulierten Krypto-Plattformen werden Shitcoins nicht zum Handel angeboten. Im Bereich Meme-Coins sind dort darüber hinaus nur die wenigen, mittlerweile „bewährten”, Assets zu finden. Bei den dezentralen Börsen sieht das anders aus. Dort strömen täglich tausende neue Coins auf den Markt.
Das Problem: Wirklich jeder kann über einschlägige Plattformen innerhalb von Minuten seinen eigenen Coin erschaffen. Einmal gelistet, ist der Kauf und Verkauf eine Angelegenheit von wenigen Klicks.
Für Betrüger sind solche Handelsplätze eine Spielwiese für „Pump and Dump“-Strategien, bei denen Preise künstlich in die Höhe getrieben und dann plötzlich alle Bestände verkauft werden, womit der Preis gegen 0 geht.
Das Glücksspiel mit den Shitcoins besteht darin, die Coins früh innerhalb der meist enorm kurzlebigen Pump-Phase zu kaufen und rechtzeitig wieder zu verkaufen, bevor der Preis unwiderruflich ins Bodenlose fällt.
Shitcoins haben in der Regel nur einen Peak kurz nach ihrem Launch und steigen nach Wertverlust nie wieder an. Wer am Shitcoin-Glücksspiel teilnimmt, hat also meist nur eine Chance, die sich zeitlich nicht voraussagen lässt.
Hohes Risiko und ein Pool aus Betrügern
Besonders riskant sind die Coins, bei denen sich der Großteil des Bestands im Besitz weniger Individuen befindet. Diese können das Spiel quasi jederzeit beenden, indem sie dem Coin die Liquidität, das von ihnen hinterlegte Kapital entziehen und damit den Wert Richtung 0 bringen.
Dieses Phänomen wird als „Rug Pull” bezeichnet, darauf anspielend, dass den arglosen Käufern der Teppich unter den Füßen weggezogen wird. Dennoch ziehen genau solche Coins risikobereite „Spieler” immer wieder an.
Finden lassen sich frisch gelaunchte Coins über Portale wie DEX Screener. User können dort die Coin-Adresse kopieren und bei dezentralen Börsen wie Uniswap, Raydium oder PancakeSwap oder auch über digitale Wallets wie Phantom oder Metamask die Coins aufrufen, kaufen und handeln.
Gewinne aus Shitcoin-Glücksspiel unterliegen der Steuer
Der gesamte Vorgang ist völlig legal, aber auch komplett unreguliert. Wer beim Glücksspiel mit Shitcoins dann doch einmal ins Schwarze trifft, kann seine Coins zunächst dann je nach Plattform in stabilere Kryptowährungen wie Solana oder Ethereum verwandeln und diese dann wieder in Euro oder andere Fiat-Währungen verkaufen.
Natürlich ist ein Verkauf mit Gewinn in Deutschland nicht steuerfrei. Die Gewinne gelten als „sonstige Einkünfte” und unterliegen damit der Einkommensteuer. Umgehen lässt sich das nur, wenn die Coins zwischen Kauf und Verkauf mindestens ein Jahr gehalten werden, was beim Glücksspiel mit kurzlebigen Shitcoins natürlich nicht möglich ist.
Wer also gewinnbringend verkauft, muss seinen Gewinn versteuern. Und wer dann nicht lückenlos nachweisen kann, wie und wo und wann genau der Gewinn zustande gekommen ist, könnte sehr unangenehme Probleme mit den Behörden bekommen. Ein doppeltes Glücksspiel also.