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Unfassbar: So treibt der Gesetzgeber die Spieler auf den Schwarzmarkt!
Am 1. Juli 2021 ist in Deutschland der neue Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2021) in Kraft getreten. Dem besonderen Tag waren ein mühsamer Verhandlungsmarathon zwischen den Ländern und ein langwieriger Ratifizierungsprozess vorausgegangen. Dementsprechend hoch waren die an das neue Regelwerk geknüpften Erwartungen. Denn mit dem neuen Staatsvertrag sollte der Markt für Glücksspiel und besonders Online-Glücksspiel besser reguliert werden und es sollte endlich mehr rechtliche Klarheit einziehen. Denn bis dahin war das Angebot von Online-Glücksspiel in Deutschland nur lizenzierten Anbietern in Schleswig-Holstein gestattet – ansonsten jedoch illegal. Allerdings boten viele ausländische Anbieter mit einer im EU-Ausland gültigen Lizenzierung – zum Beispiel durch die Behörden Maltas ausgestellt – unter Berufung auf EU-Recht und den gemeinsamen Binnenmarkt sowie die Freiheit der Dienstleistungen auch Spielern in Deutschland ihre Spiele an. Der neue Glücksspielstaatsvertrag sollte auch hierfür eine Lösung bieten und sowohl Spielern als auch Betreibern legale und rechtssichere Spiele ermöglichen. Doch im Juni 2022 – also fast ein Jahr nach dem Inkrafttreten des GlüStV 2021 – wachsen die Zweifel, dass das neue Regelwerk die mit ihm verknüpften Erwartungen wirklich erfüllen kann. Neben den Verzögerungen bei der Umsetzung sorgt dabei besonders die Frage der steuerlichen Behandlung bei Spielern und Anbietern für Kopfschütteln.
Verzögerungen bei der Zulassungserteilung
Für Unmut sorgen beispielsweise die verzögerte Umsetzung der Bestimmungen und der schleppende Behördenaufbau. Denn mit dem GlüStV 2021 wurde auch die Errichtung einer neuen Aufsichtsbehörde beschlossen. Diese hat ihren Sitz in Halle (Saale) und trägt den etwas sperrigen Namen Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder oder kurz GGL. Diese Behörde soll in Zukunft die Umsetzung und Einhaltung der neuen Bestimmungen überwachen und außerdem auch die Erteilung der behördlichen Zulassungen übernehmen. Laut eigener Aussage soll die Behörde am 1. Juli 2022 erste Aufgaben übernehmen und ab dem 1. Januar 2023 dann umfänglich starten – doch ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann, erscheint aktuell fraglich. Genauso schleppend verläuft die Vergabe der Zulassungen. Fast ein Jahr nach Inkrafttreten des GlüStV 2021 ist kürzlich die erste Erlaubnis an einen Anbieter vergeben worden, mehr als 60 Unternehmen haben jedoch ebenfalls eine Zulassung beantragt und warten noch auf die Erteilung.
Der Streit um die richtige Besteuerung – Wettbewerbsnachteile für legale Anbieter?
Ein besonderes Ärgernis stellt für viele Spieler und Anbieter die gegenwärtige Besteuerung der Angebote dar. Der Gesetzgeber erhebt bei virtuellen Automatenspielen eine Spieleinsatzsteuer von 5,3 %. Das bedeutet, dass pro Spiel (also zum Beispiel pro Dreh an einem virtuellen Spielautomaten) der Einsatz mit 5,3 % besteuert wird. Nach Meinung verschiedener Experten stellt dies jedoch eine absolut falsche Bemessungsgrundlage dar. Sie plädieren stattdessen für eine Besteuerung des Bruttospielertrags. Dabei wird nicht der einzelne Einsatz versteuert, sondern die Differenz aus sämtlichen Einsätzen und der letztlichen Auszahlung an die Spieler.
Expertengutachten: Darum droht die erhoffte Regulierung zu scheitern
In einem Gutachten aus dem Juni 2021, das Casino Gesetze vorliegt, erklärt beispielsweise der Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Prof. Dr. Justus Haucap, dass die angedachte Regulierung des Glücksspiels in Deutschland an der unsachgemäßen Besteuerung scheitern könne. Die Spieleinsatzsteuer könne nämlich zu einer Abwanderung der Spieler in Angebote des Schwarzmarkts führen. Durch die angedachte Besteuerung könnten die Spieler die legalen Angebote nämlich als so unattraktiv ansehen, dass sie schlussendlich lieber bei illegalen Anbietern ohne behördliche Zulassung spielen würden. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, können die legalen Online-Casinos den Spielern vor dem Hintergrund der Spieleinsatzsteuer nämlich nur deutlich geringere RTP-Werte (Auszahlungsquote) bieten als illegale Anbieter vom Schwarzmarkt.
Benachteiligung legaler Anbieter könnte Spieler auf den Schwarzmarkt treiben
Damit würde natürlich ein zentrales Ziel des neuen Glücksspielstaatsvertrags verfehlt: Der GlüStV 2021 soll schließlich gerade umgekehrt dazu führen, dass die Spieler eine behördlich beaufsichtigte Spielmöglichkeit vorfinden und bei legalen Anbietern spielen. Stattdessen würden diese nun auf den unregulierten Schwarzmarkt getrieben, auf dem wesentliche Anliegen des GlüStV 2021, wie Spielerschutz und Suchtprävention, zumeist wenig bis gar keine Beachtung finden. Die Spieleinsatzsteuer reduziere die möglichen Ausschüttungen an die Spieler jedoch derart massiv und mache die legalen Angebote wirtschaftlich so unattraktiv, dass dies viele Spieler zur Abwanderung auf den Schwarzmarkt bewegen könnte, so die Sorge der Experten. Dass dies nicht nur dem Spielerschutz zuwiderläuft, sondern gleichzeitig auch die zu erwartenden Steuereinnahmen deutlich reduzieren würde, versteht sich von selbst. Würde hingegen der Bruttospielertrag besteuert, könnten die legalen Betreiber den Spielern ein wettbewerbsfähigeres Spielangebot machen und das Ausweichen auf den Schwarzmarkt wäre weniger attraktiv.
Ein weiterer Kritikpunkt: Die vorgesehene Besteuerung führe zu einer Schlechterstellung der Online-Anbieter im Vergleich zu stationären Spielbanken. Entsprechende Beschwerden wegen einer unzulässigen Beihilfe sind bereits bei der EU-Kommission vorgebracht worden.
Schluss mit dem deutschen Sonderweg!
Dass Deutschland mit der gewählten Besteuerung einen offensichtlich wenig überzeugenden Ansatz verfolgt, zeigt auch ein Blick ins europäische Ausland: In allen Ländern, die das Online-Glücksspiel regulieren, erfolgt die Besteuerung auf Basis des Bruttospielertrags (außer im Bereich der Sportwetten). Lediglich Frankreich hatte zuletzt noch den Spieleinsatz besteuert (übrigens nur mit 2 %!), inzwischen aber auch eine Besteuerung des Bruttospielertrags beschlossen. Vielen Beobachtern erscheint der von Deutschland eingeschlagene Sonderweg nicht nachvollziehbar. Sie sind sich stattdessen sicher: Damit die wichtigen Ziele und Anliegen des neuen Glücksspielstaatsvertrags tatsächlich erreicht werden können, sollte der Gesetzgeber hier möglichst schnell nachbessern. Den legalen Online-Casinos wäre es zu wünschen, damit sie für ihre Kunden wirklich ein wettbewerbsfähiges und attraktives Angebot bereitstellen können – und eben nicht auf Kosten von Spielerschutz und Suchtprävention von illegalen Betreibern ausgestochen werden.