Glücksspielatlas 2023 – Kontroverse weitet sich aus

Glücksspielatlas 2023: Neue Studien widerlegen Zahlen

Sabine Löwenberger Datum: Lesedauer: min.
zuletzt aktualisiert: 23.01.2025

Glücksspielatlas 2023 – Kontroverse weitet sich aus

Glücksspielatlas 2023: Neue Studien widerlegen Zahlen

Inhaltsverzeichnis

    Kontroverse um den Glücksspielatlas: Kritik an Methodik und Interpretation der Zahlen

    Die Diskussion um den Glücksspielatlas 2023, der alarmierende Zahlen zur Glücksspielsucht in Deutschland präsentierte, reißt nicht ab. Experten bemängeln die Methodik der Erhebung und kritisieren den unkritischen Umgang der Medien mit den veröffentlichten Daten. Neue Untersuchungen legen nahe, dass der tatsächliche Anteil der Betroffenen weit niedriger sein könnte.

    Alarmierende Zahlen in der Kritik

    Der „Glücksspielatlas“, gefördert durch Mittel des Bundesgesundheitsministeriums, berichtete, dass etwa 1,3 Millionen Menschen in Deutschland eine Störung durch Glücksspiel aufweisen und weitere drei Millionen ein problematisches Spielverhalten zeigen. Diese Zahlen wurden von Medien wie „Zeit Online“ und „tagesschau.de“ ohne weitere Einordnung verbreitet.

    Doch diese alarmierenden Werte stehen im Widerspruch zu früheren Studien. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wiesen bis 2019 lediglich 200.000 Personen (0,34 Prozent der Erwachsenen) ein pathologisches Spielverhalten auf.

    Der signifikante Anstieg der Zahlen seit der Übernahme der Erhebung durch die Universität Bremen und das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) wird zunehmend hinterfragt.

    Methodikwechsel: Ein zentraler Streitpunkt

    Der Wechsel der Erhebungsmethodik nach 2019 ist einer der Hauptgründe für die Diskrepanz. Während die BZgA ausschließlich telefonische Befragungen durchführte, setzen die neuen Studien auf das sogenannte Mixed-Mode-Verfahren, das Online- und Telefonbefragungen kombiniert. Außerdem wurden andere Fragebögen verwendet.

    Katharina Schüller, Statistikerin und Vorstandsmitglied der Deutschen Statistischen Gesellschaft, sieht hierin gravierende Probleme. Sie bezeichnet die Erhebungen des ISD und der Universität Bremen als „statistisch mangelhaft“ und „ungeeignet für evidenzbasierte Politik“.

    Schüller betont in ihrem Gutachten, dass „Online-Stichproben nicht geeignet sind, repräsentative Schlüsse auf die Gesamtbevölkerung zu ziehen“.

    Neue Studien widersprechen dem Glücksspielatlas

    Eine aktuelle Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die im Auftrag des Verbands der Automatenindustrie (VDAI) durchgeführt wurde, bestätigt diese Kritik. Für die Studie wurden 11.500 Personen im Alter von 16 bis 70 Jahren telefonisch befragt – exakt nach den Kriterien der BZgA.

    Das Ergebnis: Es gab keinen signifikanten Anstieg der Glücksspielprobleme. Laut Forsa liegt der Anteil problematischen Spielverhaltens weiterhin bei etwa 0,39 Prozent, und der Anteil pathologischer Spieler blieb bei 0,34 Prozent. 

    Auch ein Vergleichsexperiment der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigte, dass Mixed-Mode-Verfahren die Schwächen einzelner Methoden nicht ausgleichen können. Die KAS-Forscher erklärten:

    „Telefon- und Face-to-Face-Befragungen bleiben der Goldstandard der Demoskopie.“

    Medien in der Verantwortung

    Die „Unstatistik des Monats“, eine Initiative zur Aufklärung über fehlerhafte Studieninterpretationen, prangert den oft kritiklosen Umgang der Medien mit den Zahlen des Glücksspielatlas an.

    Reiner Burger, Kommunikationswissenschaftler und Korrespondent der FAZ, betonte:

    „Dass über diese höchst alarmierenden Zahlen schon seit längerer Zeit gestritten wird, thematisieren die Medien nicht.“

    Forderung nach kritischerem Umgang

    Die Diskussion zeigt, wie wichtig eine kritische Prüfung von Statistiken ist. Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) begrüßt die stärkere Hinterfragung von Studien und betont, dass schnelle Empörungszyklen und Desinformation vermieden werden müssen.

    Die ‚Unstatistik des Monats‘ und kritischer Journalismus leisteten hier wertvolle Arbeit, so ein Sprecher des Verbandes. Die Debatte um den „Glücksspielatlas“ verdeutlicht die zentrale Rolle fundierter Methodik und sorgfältiger Interpretation bei der Gestaltung evidenzbasierter Politik.

    Quellen: F.A.Z.

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