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Forscher der Harvard Medical School haben das Phänomen des „Loss Chasing” im Bereich Online-Sportwetten untersucht. Für die am 10. Mai 2025 veröffentlichte Studie wurden die Daten von insgesamt 70.925 Kunden der Sportwetten-Unternehmen bwin und DraftKings ausgewertet. Knapp 35 % der bwin-Daten kamen aus dem deutschen Markt.
Den Ergebnissen zufolge seien vor allem die Erhöhung von Spieleinsätzen und das Umschwenken auf riskantere Quoten nach erlittenen Verlusten ein indirekter Indikator für problematisches oder pathologisches Glücksspiel. Eine erhöhte Teilnahmefrequenz hingegen sei weniger indikativ.
Zusammenhang zwischen Loss Chasing und Real-Verlusten
Die ausgewerteten Daten beziehen sich auf einen Zeitraum von mehreren Jahren zwischen 2013 und 2019. Untersucht wurde das Loss-Chasing-Verhalten von Sportwetten- und Daily-Fantasy-Nutzern auf den Online-Plattformen von bwin respektive DraftKings. Loss Chasing beschreibt im Allgemeinen das bewusste oder unbewusste Bestreben von Glücksspiel-Teilnehmern, erlittene Geldverluste wieder auszugleichen.
Für bwin wurden die Daten aus verschiedenen Ländern genutzt: Deutschland (34,9 %), Spanien (15,8 %), Großbritannien (13,9 %), Frankreich (10,1 %) und Sonstige (25,3 %). DraftKings hingegen war im betreffenden Zeitraum ausschließlich im US-Markt aktiv.
Das Median-Alter der DraftKings-Kohorte liegt bei 33 Jahren, das der Sportwetten-Kohorte bei 27 Jahren. Von den ausgewerteten Sportwetten-Nutzern waren 90 % männlich, bei Daily Fantasy Sports gibt es keine Angabe.
Da es sich um eine reine Datenauswertung und nicht um eine Befragung aktiver Spielerinnen und Spielern handelt, bezieht sich die Studie nur mittelbar auf mögliche pathologische Verhaltensmuster. Vielmehr haben die Forscher untersucht, ob Loss Chasing langfristig tatsächlich zu dauerhaften und höheren Geldverlusten führt.
Soweit dies zutreffend ist und das Spiel dennoch fortgeführt wird, lassen sich hieraus wiederum Rückschlüsse auf ein problematisches Spielverhalten und Spielsucht ziehen. Ausgewertet wurden drei verschiedene Loss-Chasing-Muster: Die Höhe der Wetteinsätze, die Wahl der Quoten (Risikobereitschaft) und die Zeit zwischen den getätigten Wetten.
Riskantere Wetten verursachen höhere Dauerverluste
Die Auswertungsergebnisse der beiden Kohorten unterscheiden sich deutlich. Demnach hätten Daily-Fantasy-Sports-User durch Loss-Chasing-Verhalten durchschnittlich keine fortlaufend steigenden Verluste erlitten. Dies dürfte vor allem am Konzept des Spiels liegen, da Spieler nicht gegen das Haus, sondern gegeneinander spielen und sich DraftKings in erster Linie über Teilnehmergebühren finanziert.
In der Sportwetten-Kohorte hingegen konnte beobachtet werden, dass Loss Chasing grundsätzlich zu dauerhaft steigenden Geldverlusten führe. Allerdings seien nur zwei der drei untersuchten Dimensionen hierfür verantwortlich. Zwischen der zeitlichen Nähe aufeinanderfolgender Wetten (also kürzeren Intervallen) und der Verlustentwicklung habe kein belastbarer Zusammenhang bestanden.
Wer also häufiger bzw. unmittelbarer nach einem erlittenen Verlust erneut wette, steigere damit seine Verlustverlaufskurve nicht. Diejenigen hingegen, die nach Verlusten zunehmend höhere Beträge wetten oder riskantere Quoten wählen, verzeichneten im Verlauf mehrerer Monate eine deutlichere Zunahme der Gesamtverluste.
Die Forscher weisen zudem darauf hin, dass zur Bewertung der Verlustentwicklung und möglicher Rückschlüsse auf problematisches Spielverhalten die einzelnen Dimensionen von Loss Chasing – also Einsatzhöhe, Quotenwahl und Zeitintervalle – besser isoliert betrachtet werden sollten. Würden alle drei Verhaltensmuster gleichzeitig in ein Modell aufgenommen, könne dies zu Verzerrungen führen und die Aussagekraft verringern.
Loss Chasing sei insgesamt nicht immer ein verlässliches Warnsignal und müsse im Kontext der Früherkennung differenziert betrachtet werden. Weiterhin führen die Autoren aus, dass es weiterer Studien zum Thema bedürfe, insbesondere mit anbieterübergreifenden Daten, bei denen das Spielverhalten einzelner Individuen über mehrere Plattformen hinweg analysiert werden müsse.
Inwieweit eine solche Erhebung umsetzbar ist, scheint ungewiss. Tatsächlich könnte der deutsche Markt hier aber ein guter Ansatzpunkt sein, da Spielerdaten hierzulande anbieterübergreifend in zentralen Datenbanken erfasst werden, während im Ausland Limits und sonstige Spielerschutzrahmen in der Regel plattformspezifisch sind.
Quellen: Journal of Gambling Studies (Springer), PubMed Abstract