Verbotenes Spiel: Wie illegales Glücksspiel im Darknet mit Bitcoin floriert

Im Schatten des Internets florieren illegale Glücksspielplattformen – anonym, global und gefährlich. Eine Studie deckt auf, wie Darknet-Casinos mit Bitcoin operieren, Gesetze umgehen, Süchtige binden und Minderjährige gefährden.

Sabine Löwenberger Datum: Lesedauer: min.
zuletzt aktualisiert: 24.07.2025

Verbotenes Spiel: Wie illegales Glücksspiel im Darknet mit Bitcoin floriert

Im Schatten des Internets florieren illegale Glücksspielplattformen – anonym, global und gefährlich. Eine Studie deckt auf, wie Darknet-Casinos mit Bitcoin operieren, Gesetze umgehen, Süchtige binden und Minderjährige gefährden.

Inhaltsverzeichnis

    Verbotenes Spiel: Wie illegales Glücksspiel im Darknet mit Bitcoin floriert – und warum das alle angeht

    Online-Glücksspiel hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Mobile Technologien, globale Vernetzung und neue Finanzinstrumente wie Kryptowährungen haben einen Boom ausgelöst – legal wie illegal. Während in vielen Ländern Glücksspiel inzwischen reguliert oder ganz verboten ist – etwa in China oder weiten Teilen der USA – hat sich im Verborgenen ein florierender Schwarzmarkt gebildet.

    Ein globales Schattenreich: Die dunkle Seite des Online-Glücksspiels

    Insbesondere im sogenannten Darknet, einem anonymisierten Teil des Internets, blüht das illegale Glücksspielgeschäft. Doch wer sind die Akteure hinter diesen Plattformen? Wer sind ihre Nutzer? Und warum ist es so schwer, sie zu stoppen?

    Eine aktuelle Studie unter dem Titel „Illegales Glücksspiel und dessen Betrieb über das Darknet und Bitcoin: Eine Anwendung der Routineaktivitätstheorie“ liefert fundierte Antworten – und zeichnet ein alarmierendes Bild.

    Das Darknet: Zwischen Schutzraum und Verbrechenshort

    Das Darknet ist ein Teil des sogenannten Deep Web – jenen Bereichs des Internets, der nicht über klassische Suchmaschinen wie Google oder Bing auffindbar ist. Um Zugang zu erhalten, benötigen Nutzer spezielle Browser wie den Tor-Client, der ihre Verbindung durch ein Netzwerk verschlüsselter Knotenpunkte leitet. Dadurch wird die Identität des Nutzers weitestgehend anonymisiert.

    Was ursprünglich als Schutzmechanismus für politisch Verfolgte, Whistleblower und investigative Journalisten gedacht war, ist heute ein bevorzugter Tummelplatz für Cyberkriminelle. Dort würden Waffen, Drogen – und eben auch Glücksspiele gehandelt, heißt es in einem Fachtext über das Darknet:

    „Die besondere Sicherheit und Anonymität des Tor-Netzwerks lockt [...] auch Cyberkriminelle, welche die Technologie für illegale Machenschaften missbrauchen.“

    Wie ist das Darknet aufgebaut?

    Technisch betrachtet ist das Darknet ein Teilnetzwerk innerhalb des Deep Webs, das auf spezifischen Verschlüsselungsprotokollen und Anonymisierungstechniken basiert.

    Die bekannteste Plattform ist das Tor-Netzwerk (The Onion Router), benannt nach dem sogenannten Onion-Routing – einem Verfahren, bei dem Datenpakete durch mehrere, zufällig ausgewählte Server (sogenannte Nodes oder Relays) geleitet und auf jeder Station neu verschlüsselt werden.

    Das Resultat: Weder die Absender- noch die Empfängeradresse lassen sich zuverlässig zurückverfolgen. Die Inhalte, die auf solchen Servern gehostet werden, tragen meist eine .onion-Domain und sind ausschließlich über den Tor-Browser erreichbar.

    Anders als im „Clear Web“ gibt es keine zentrale Verzeichnisstruktur oder zuverlässige Linklisten – Informationen werden oft über geschlossene Foren, verschlüsselte Chats oder Insiderkontakte ausgetauscht.

    Wie erhält man Zugang zum Darknet?

    Der Einstieg ins Darknet erfolgt nicht zufällig oder versehentlich – man muss ihn bewusst wählen und technisch vorbereiten. So funktioniert der Zugang Schritt für Schritt:

    • Installation eines spezialisierten Browsers:
      Der wichtigste Client ist der Tor Browser, basierend auf Mozilla Firefox. Er ist kostenlos verfügbar, wurde von der Tor Project Foundation entwickelt und kann anonym heruntergeladen und verwendet werden.
    • Verbindung mit dem Tor-Netzwerk:
      Beim Start baut der Browser eine Verbindung zu mehreren Relays im Tor-Netzwerk auf. Jeder Datenverkehr wird automatisch durch mehrere dieser Relays geleitet – eine Technik, die für maximale Anonymität sorgt.
    • Zugriff auf .onion-Websites:
      Seiten im Darknet besitzen keine gewöhnlichen URLs wie „www.beispiel.de“, sondern kryptisch wirkende Adressen mit der Endung .onion – z. B. „ajd7k2lz3wqe34gf.onion“. Diese Adressen sind nicht frei auffindbar, sondern zirkulieren in Untergrundforen oder werden gezielt weitergegeben.
    • Weitere Tools und Netzwerke:
      Neben Tor existieren alternative Technologien wie I2P (Invisible Internet Project), das auf vollständiger Dezentralisierung basiert, sowie Hornet, ein Hochgeschwindigkeits-Onion-Routing-Protokoll. Diese Netzwerke funktionieren ähnlich wie Tor, verwenden jedoch andere Verschlüsselungsmechanismen und Strukturen.

    Was unterscheidet Darknet, Deep Web und Clear Web?

    Um die Begriffe klar voneinander zu trennen, bietet sich die oft zitierte „Eisberg-Metapher“ an:

    • Clear Web: Der sichtbare Teil des Internets, indexiert durch Suchmaschinen, frei zugänglich. Dazu gehören z. B. Nachrichtenseiten, Social Media oder Online-Shops.
    • Deep Web: Der größere, verborgene Teil unter der Wasseroberfläche. Dazu zählen passwortgeschützte Bereiche wie E-Mail-Konten, Online-Banking, interne Firmennetze oder private Cloud-Dienste.
    • Darknet: Ein spezieller Bereich innerhalb des Deep Web, der nur über spezialisierte Software (z. B. Tor) zugänglich ist und auf größtmögliche Anonymität und Verschlüsselung setzt.

    Durch diesen Aufbau bietet das Darknet sowohl Schutzraum für gefährdete Gruppen als auch Deckung für kriminelle Aktivitäten. In der Realität sind diese beiden Pole oft eng miteinander verwoben – genau das macht die Bewertung und Regulierung so schwierig.

    Bitcoin-Casinos: Spielbanken ohne Kontrolle

    Zentral für das Glücksspiel im Darknet ist die Verwendung von Kryptowährungen, allen voran Bitcoin. Die digitale Währung wurde 2008 unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto eingeführt und erlaubt es, Geld ohne zentrale Kontrollinstanz zu transferieren.

    Transaktionen sind dezentral, verschlüsselt und oft anonym. Diese Eigenschaften machen Bitcoin besonders attraktiv für Betreiber illegaler Glücksspielplattformen. Die untersuchten Bitcoin-Casinos unterscheiden sich deutlich von legalen Anbietern.

    Sie verzichten auf Alters- und Identitätsprüfungen, umgehen nationale Gesetzgebungen und ermöglichen damit auch Minderjährigen und gesperrten Spielern den Zugang zu Glücksspielen – oft ohne jegliche Kontrolle.

    Ein besonders brisanter Aspekt: Diese Plattformen „schaffen ein globales, schwer zu überwachendes Ökosystem“, so die Autoren der Studie.

    Dreiklang der Kriminalität: Die Routineaktivitätstheorie

    Zur Analyse der Entstehungsbedingungen solcher Straftaten greift die Studie auf die sogenannte Routineaktivitätstheorie zurück. Diese postuliert, dass drei Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Delikt geschieht:

    • Es existiert ein motivierter Täter.
    • Es gibt ein geeignetes Ziel.
    • Ein „fähiger Wächter“ – also eine Schutzinstanz wie Polizei, Technologie oder soziale Kontrolle – fehlt.

    Im Kontext des Darknet-Glücksspiels sind alle drei Voraussetzungen gegeben: Betreiber haben finanzielle Motive, die Plattformen bieten niedrige Einstiegshürden und Strafverfolgungsbehörden sind oft technisch überfordert. So lautet das zentrale Ergebnis der Studie:

    „Die Anonymität der Täter und die globale Reichweite des Internets erschweren Ermittlungen zusätzlich.“

    Marktanalyse: 53 Glücksspielseiten im Fokus

    Die Studie basiert auf einer umfassenden Analyse von 53 Bitcoin-basierten Glücksspielseiten, erhoben zwischen Mai und September 2017. Dabei wurden sowohl Seiten aus dem Surface Web (30), dem Darknet (6) als auch Plattformen mit Hybridstruktur (18) berücksichtigt.

    Untersucht wurden unter anderem:

    • Registrierungspflichten
    • verwendete Währungen
    • Werbestrategien
    • Schutzmechanismen gegenüber Strafverfolgung

    Ein zentrales Ergebnis: Darknet-Seiten verschleierten ihre technische Infrastruktur deutlich stärker als Seiten im Surface Web. Während letztere auf WHOIS-Datenschutzdienste und Content Delivery Networks setzten, entzogen sich die Darknet-Plattformen komplett der Sichtbarkeit durch den Einsatz verschlüsselter Onion-Dienste.

    Kundenverhalten: Einfachheit schlägt Sicherheit

    Nutzer bevorzugen Plattformen, bei denen sie keine persönlichen Daten wie E-Mail oder Adresse angeben müssen. Je unkomplizierter der Zugang, desto höher die Besucherzahlen – selbst im illegalen Bereich.

    Einige Seiten setzten dennoch auf Zwei-Faktor-Authentifizierung, beispielsweise mit Google Authenticator, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. Interessant ist auch die Spielauswahl: Würfelspiele gelten als besonders beliebt – sie sind einfach zu bedienen, schnell und haben ein hohes Suchtpotenzial.

    Währungen als Verschleierungstaktik

    Während Bitcoin als Standardwährung galt, kamen auch Ethereum und Litecoin zum Einsatz. Auffällig war: Seiten, die Ethereum akzeptierten, hatten im Schnitt mehr Besucher, während Litecoin negativ mit der Nutzerzahl korrelierte.

    Diese Vielfalt wird von den Autoren der Studie als ein gezielter Versuch gewertet, Geldwäschegesetze zu umgehen. Einige Betreiber nutzten mehrere Kryptowährungen, um Transaktionsketten zu verschleiern – ein ernstes Problem für Ermittlungsbehörden.

    Marketing im Schatten: Werbung und Boni

    Trotz Illegalität betreiben viele Darknet-Casinos gezielte Kundenakquise – etwa über Social Media. Besonders Facebook wurde als Werbekanal identifiziert, häufig ergänzt durch Blogs und Foren.

    Ein weiteres Lockmittel: Bonusangebote wie Gratiswetten oder Freispiele. Auffällig sei der Einsatz von Bonusangeboten zur Kundenbindung, so die Forscher. Doch diese vermeintlichen Geschenke sind riskant – nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus suchtpsychologischer Sicht.

    Sucht, Betrug, Jugendgefährdung: Die dunklen Nebenwirkungen

    Die Gefahren solcher Plattformen sind vielfältig:

    • Spielsucht wird durch Anonymität, ständige Verfügbarkeit und Belohnungssysteme gefördert.
    • Minderjährige können problemlos teilnehmen, da keine Altersverifikation erfolgt.
    • Nutzer laufen Gefahr, betrügerischen Praktiken zum Opfer zu fallen: Gewinne werden nicht ausgezahlt, Konten willkürlich gesperrt, Fake-Lizenzen vorgetäuscht.

    Die Autoren resümieren:

    „Illegales Glücksspiel stellt eine komplexe Herausforderung dar [...] weit über den bloßen Gesetzesverstoß hinaus.“

    Lösungsansätze: Was Politik und Gesellschaft tun können

    Die Studie macht konkrete Vorschläge, wie dem Phänomen begegnet werden könnte:

    • Stärkung der Strafverfolgung:
      • Cyber-Ermittler schulen.
      • Internationale Kooperation bei der Serverlokalisierung.
      • Blockchain-Forensik einsetzen.
    • Regulierung sozialer Medien:
      • Plattformen wie Facebook stärker zur Verantwortung ziehen.
      • Einführung automatisierter Melde- und Prüfsysteme.
    • Anpassung von Datenschutzrichtlinien:
      • Ermittlern Zugriff auf WHOIS-Daten ermöglichen.
      • Neue ICANN-Richtlinien zur Balance von Datenschutz und Strafverfolgung entwickeln.
    • Eltern in die Pflicht nehmen:
      • Aufklärung über Filtersoftware und sicheres Verhalten im Netz.
      • Prävention in Schule und Familie.
    • Öffentlichkeitsarbeit und Bildung:
      • Kampagnen zur Aufklärung über Risiken des anonymen Glücksspiels.
      • Schulische Programme zum Thema Spielsucht und Medienkompetenz.

    Ein unsichtbares Imperium mit realen Schäden

    Illegales Glücksspiel im Darknet ist kein Randphänomen, sondern ein globales, dynamisches und gefährliches Netzwerk, das sich klassischen Kontrollmechanismen weitgehend entzieht.

    Es bedroht nicht nur die wirtschaftliche Integrität regulierter Anbieter, sondern stellt auch ein erhebliches gesundheitliches und gesellschaftliches Risiko dar – insbesondere für junge, unerfahrene und suchtgefährdete Menschen.

    Nur ein ganzheitlicher Ansatz, der Technologie, Aufklärung, internationale Kooperation und neue rechtliche Rahmenbedingungen vereint, kann diesem Phänomen wirksam begegnen.

    „Nur wenn formelle und informelle Aufsichtsmechanismen gestärkt werden, kann der Missbrauch von Online-Glücksspielseiten eingedämmt werden.“ – Studie zur Routineaktivitätstheorie

    Quellen:

    Illegal Gambling and Its Operation via the Darknet and Bitcoin: An Application of Routine Activity Theory Application of Routine Activity Theory

    Sfedona

    Weitere relevante News

    Suchtprävention und Beratung

    Wenn aus dem Spiel Ernst wird: Aktuellen Studien zufolge liegt die Zahl der Personen, die Suchtverhalten beim Glücksspiel aufweisen, zwischen 134.000 und 416.000. Spielteilnahme erst ab 18 Jahren. Glücksspiel kann süchtig machen. Infos und Hilfe unter www.bzga.de.

    Weitere relevante Ratgeber