GGL reagiert auf alarmierende Schwarzmarkt-Studie der Glücksspiel-Industrie

Einer neuen Schwarzmarkt-Studie zufolge liegt die Kanalisierungsrate in Deutschland bei nur 50,7 %. Laut der Industrie verfehlt der Glücksspielstaatsvertrag damit sein Ziel. Die GGL jedoch liefert Erklärungen für die starke Diskrepanz zu ihren eigenen Zahlen.

Sonja Çeven Datum: Lesedauer: min.
zuletzt aktualisiert: 22.11.2023

GGL reagiert auf alarmierende Schwarzmarkt-Studie der Glücksspiel-Industrie

Einer neuen Schwarzmarkt-Studie zufolge liegt die Kanalisierungsrate in Deutschland bei nur 50,7 %. Laut der Industrie verfehlt der Glücksspielstaatsvertrag damit sein Ziel. Die GGL jedoch liefert Erklärungen für die starke Diskrepanz zu ihren eigenen Zahlen.

Inhaltsverzeichnis

    Ein Hauptziel des Glücksspielstaatsvertrags 2021 ist die Kanalisierung der Spielerinnen und Spieler in den regulierten Markt. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Gunther Schnabl von der Universität Leipzig verfehlt der Vertrag dieses Ziel jedoch. Zumindest im Bereich des Online-Glücksspiels habe der Schwarzmarkt klar die Oberhand. 

    Den Studienergebnissen zufolge hätten im März 2023 insgesamt 49,3 % aller Spielinteressierten auf illegalen Glücksspiel-Portalen gespielt. Die Kanalisierungsrate liege dementsprechend bei nur 50,7 %. Die Nutzung der illegalen Angeboten entfalle zu 28,9 % auf das EU-Ausland, während 19,9 % bei Offshore-Anbietern, bspw. mit Sitz in Curaçao spielten. 

    Die Zahlen hinsichtlich der Bruttospielerträge seien die Zahlen noch dramatischer. Demnach generiere der Schwarzmarkt gut 75 % aller Online-Glücksspiel-Umsätze, was Steuerausfälle in Höhe mehrerer hundert Millionen Euro bedeute.

    Starke Diskrepanz zu den Ergebnissen der GGL

    Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) hat am Dienstag prompt auf die Studie und die Pressemitteilungen der Auftraggeber, des Deutschen Online Casinoverbandes (DOCV) und des Deutschen Sportwettenverbandes (DSWV), reagiert. Die Ergebnisse der Studie von Professor Schnabl unterschieden sich deutlich von denen der GGL. 

    Die Behörde sei bei ihrer Marktanalyse zu dem Schluss gekommen, dass die illegalen Anbieter ein Marktvolumen zwischen 300 und 500 Mio. Euro ausmachen würden. Dies entspreche lediglich 2 bis 4 % des legalen Marktes. Die GGL gehe davon aus, dass es zirka 800 bis 900 illegale Glücksspiel-Portale gibt. 

    Zum Vergleich: Auf der offiziellen Sperrliste der Schweizer Glücksspielbehörde, der  Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK), befinden sich mittlerweile knapp 1.300 illegale Glücksspiel-Domains. Auf der Black List der italienischen Glücksspielaufsicht ADM sind aktuell sogar 9.902 Domains gelistet.

    Die Herangehensweise der GGL

    Die GGL begründet ihre Ergebnisse mit einer Analyse der Besucheraktivitäten der illegalen Websites, bzw. der Analyse der Angebote dieser Anbieter sowie mit einer Auswertung von Affiliate-Marketing-Netzwerken. Wie genau die GGL hier vorgegangen ist, geht aus der Pressemeldung nicht hervor. 

    Es sei jedoch nicht korrekt, dass die Herangehensweise der GGL auf einem statischen Modell beruhe, wie es in einem Vorwurf seitens der Glücksspielindustrie geheißen habe. 

    Im März 2023 hatte die GGL Zahlen veröffentlicht, nach denen die erlaubten Sportwetten-Anbieter 95 % aller Umsätze dieses Spielsegments generierten. Die Zahl habe sich aus einer Analyse der Steuerzahlen ergeben. 

    Der Deutsche Sportwettenverband hatte diese Ergebnisgrundlage scharf kritisiert, da illegale Offshore-Anbieter in Deutschland im Regelfall keine Steuern zahlen, auch wenn sie mit Spielern in Deutschland Gewinn machen.

    Die Herangehensweise von Professor Schnabl

    Die GGL betont in ihrer Pressemeldung, dass die Herangehensweise bei der Schwarzmarkt-Erhebung divergiere, wobei die genauen Unterschiede nicht erklärt werden. Wie die Auftraggeber der Studie von Professor Schnabl erklären, basierten die Ergebnisse auf einem repräsentativen Online-Meter-Panel des Marktforschungsunternehmens Nielsen. 

    Dieses habe rund 25.000 Personen erfasst, die in Deutschland das Internet nutzen würden. Das Panel registriere alle Besuche von Domains, URLs und Apps, sowohl auf Computern als auch Mobiltelefonen. Zum Zwecke der Schwarzmarkt-Erhebung seien zunächst 700 Online-Glücksspiel-Websites analysiert worden. 

    Alle erfüllten die Kriterien, dass es sich um Echtgeldspiele handelt, das Angebot in Deutschland ohne VPN aufrufbar sei, das Angebot in deutscher Sprache zur Verfügung stehe und ein deutscher Wohnsitz bei der Registrierung akzeptiert werde.

    Um ein realistisches Ergebnis zu erzielen, seien potenziell unbeabsichtige Besuche mit einer Dauer von weniger als einer Minute nicht gezählt worden. Eine Besuchsdauer von unter fünf Minuten habe zu 50 % gezählt und ein Aufenthalt ab fünf Minuten zu 100 %. Auf Basis dieser Rahmenbedingungen habe sich die Kanalisierungsrate von 50,7 % ergeben, 

    Die Tendenz gehe zudem in die negative Richtung. Demnach habe sich gezeigt, dass die monatlichen Besuche bei lizenzierten Anbietern von 1.293 im Januar 2019 auf 995 im März 2023 gefallen seien.

    Verstärkte Kooperation und Attraktivitätssteigerung legaler Produkte nötig

    Die Verbände kommen zu dem Schluss, dass es mehrerer intensiver Maßnahmen bedürfe, das im Glücksspielstaatsvertrag genannte Kanalisierungsziel zu erreichen. Grundsätzlich müsse dazu vor allem der legale Markt gestärkt werden. Hierzu schlagen die Verbände folgende Änderungen vor:

    • Beschleunigung des Genehmigungsprozesses seitens der GGL
    • Erhöhung der Spieleinsatzgrenzen für virtuelles Automatenspiel
    • Ausweitung des Wettprogramms bei Sportwetten
    • Abschaffung der künstlichen Wartezeit (fünf Minuten) beim Wechsel von Spielform oder Anbieter
    • Erhalt der Werbemöglichkeiten für erlaubte Anbieter
    • Besteuerung der Bruttospielerträge statt der derzeitigen europaweit einzigartigen Spieleinsatzsteuer

    Gleichzeitig müsse der Schwarzmarkt durch einen effizienteren Vollzug seitens der GGL stärker zurückgedrängt werden. Dies betreffe insbesondere die Werbung der illegalen Anbieter über Online-Suchmaschinen, Plattformen und soziale Medien. 

    Die Verbände empfehlen zudem eine fortlaufende evidenzbasierte Untersuchung des illegalen Online-Glücksspiels. Hierzu müsse auch die Zusammenarbeit aller Stakeholder aus Politik, Spielerschutz, Verwaltung und Wirtschaft optimiert werden.

    GGL sieht keine Kongruenz bei den Interessen

    In der Pressemeldung der GGL heißt es indes, dass die Behörde mit der Industrie bereits in engem Austausch stehe. Allerdings verfolgten die Parteien unterschiedliche Interessen, die ebenfalls als Erklärung für die unterschiedlichen Studienergebnisse dienen könnten. 

    Unabhängig vom Modell zur Datenerhebung handelt es sich jeweils um eine Schätzung und Momentaufnahme. Dabei wird eine Regulierungsbehörde die Datenlage stets konservativ bewerten, während die Glücksspielindustrie eher dazu tendiert, die Wettbewerbssituation durch den illegalen Markt größer einzuschätzen.

    Trotz der unterschiedlichen Interessen bemühe sich die Behörde, eine gemeinsame Lösung zur Vermessung des illegalen Markts zu finden. Inwieweit die Interessen von Behörde und Industrie nicht übereinstimmen, lässt die GGL dabei offen. Fakt ist, dass beiden Seiten daran gelegen ist, den Schwarzmarkt zurückzudrängen, um bestmöglichen Spielerschutz zu erreichen.

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