Inhaltsverzeichnis
Spielerschutz in Gefahr: Malta plant Gesetz gegen deutsche Gerichtsurteile
Malta plant eine neue Gesetzgebung, die mehr als umstritten ist. Die Gesetzesänderung könnte dazu führen, dass deutsche und österreichische Gerichtsurteile zum Spielerschutz in Zukunft ignoriert werden.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass maltesische Gerichte ausländische Urteile gegen Glücksspielanbieter mit maltesischer Lizenz nicht mehr vollstrecken sollen. Damit wird auf tausende Klagen von Spielern aus Deutschland und Österreich gegen maltesische Glücksspielanbieter reagiert, bei denen es um hohe Geldsummen geht.
Das Vorhaben verstößt jedoch gegen EU-Recht, weshalb bereits Beschwerden bei der EU-Kommission eingegangen sind. Kritiker sehen in dem Gesetz einen klaren Angriff auf den Verbraucherschutz. Hier erfährst du alle wichtigen Details zu den Hintergründen und Auswirkungen des neuen Gesetzes.
Schutz der Glücksspielindustrie vor Klagen aus dem Ausland
Malta plant eine Gesetzesänderung, um seine Glücksspielindustrie vor Klagen aus dem Ausland zu schützen. Der maltesische Wirtschaftsminister Silvio Schembri stellte am 24. April 2023 einen Gesetzesentwurf vor, der als Reaktion auf Tausende Gerichtsurteile in Deutschland und Österreich gegen maltesische Glücksspielkonzerne entwickelt wurde.
Der geplante Paragraph 56a soll in das bestehende Glücksspielgesetz aufgenommen werden und Unternehmen mit einer maltesischen Glücksspiellizenz schützen, solange diese sich an die lokalen Vorschriften halten.
Dabei sieht der Entwurf vor, dass maltesische Gerichte die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile verweigern. Ausländische Gerichtsurteile gegen diese Unternehmen wären damit in Malta nicht mehr vollstreckbar.
Jahrelang illegales Online-Glücksspiel in Deutschland und Österreich
Bis zum 1. Juli 2021 war das Online-Glücksspiel in Deutschland mit Ausnahme von Schleswig-Holstein weitgehend verboten, während es in Österreich zwar legal, aber der Casinos Austria AG vorbehalten war.
Erst mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2021) hat sich die Rechtslage in Deutschland geändert. Unternehmen können nun eine Lizenz beantragen, um Kunden aus ganz Deutschland legal virtuelle Automatenspiele online anzubieten.
Viele Glücksspielunternehmen waren jedoch bereits vor dieser Gesetzesänderung aktiv und boten Online-Spielhallen für den deutschen Markt an, obwohl dies schlichtweg illegal war. Sie rechtfertigten ihr Vorgehen mit Glücksspiellizenzen aus dem Ausland, meist aus Malta, und behaupteten, dass sie damit das Recht hätten, auch in Deutschland Automatenspiele anzubieten.
Obwohl Behörden und Gerichte diese Argumentation mehrfach zurückwiesen, konnte das lukrative Geschäft jahrelang nahezu ungestört fortgeführt werden.
Für die Spielenden war kaum erkennbar, dass es sich bei den zahlreichen deutschsprachigen Online-Spielotheken um illegales Glücksspiel handelte. Selbst Banken unterstützten die Zahlungsabwicklung und auch große Bundesligavereine warben damals für Sportwettenanbieter, die auch Online-Automatenspiele anboten.
Rückforderung von Spielverlusten: Tausende Klagen gegen maltesische Unternehmen
In den vergangenen Jahren sind vermehrt Rechtsanwälte vor Zivilgerichten gegen Glücksspielunternehmen vorgegangen, um für ihre oft spielsüchtigen Mandanten Spielverluste einzuklagen.
Kern der Argumentation ist, dass die Spielverträge zwischen den Kunden und den Unternehmen nichtig seien, da das Glücksspielangebot zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland illegal war. Wegen des Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot müssten die Verluste aus dieser Zeit erstattet werden.
Erste Urteile, in denen die Kläger Recht bekamen, sorgten für Aufsehen. Das führte dazu, dass immer mehr Anwaltskanzleien und auch Start-ups das Thema als neues Geschäftsfeld entdeckten.
Bundesweit seien derzeit schätzungsweise mehr als 5.000 Verfahren offen, erklärte der Anwalt István Cocron gegenüber der ARD. Er ist selbst seit mehreren Jahren in diesem Bereich tätig und betreut derzeit rund 1.400 Fälle. Während die Gerichte anfangs uneinheitlich urteilten, verlieren die Glücksspielanbieter inzwischen regelmäßig vor Gericht.
Dennoch: „Viele Anbieter wie Mr. Green oder Pokerstars kommen den rechtskräftigen Gerichtsurteilen nicht nach und zahlen die Spielverluste schlichtweg nicht zurück“, erklärt Richard Eibl, Geschäftsführer des österreichischen Prozessfinanzierers Padronus, gegenüber der Austria Presse Agentur.
Der vorliegende Gesetzesentwurf aus Malta könnte weitreichende Auswirkungen auf viele laufende und zukünftige Verfahren haben. Cocron und viele seiner Kollegen sehen darin einen Angriff auf den Verbraucherschutz. Malta wolle den Glücksspielunternehmen Zeit verschaffen, um Hindernisse aufzubauen und den Prozess zu verlangsamen.
Verstoß gegen EU-Recht
„Das Gesetzesvorhaben ist nicht nur eine Verhöhnung deutscher und österreichischer Verbraucher, sondern auch eine unverhohlene Provokation gegenüber der EU. Unsere Politik und die EU-Kommission darf hier nicht tatenlos zuschauen“, so Eibl.
Diese Auffassung wird von Experten und Juristen auf diesem Gebiet geteilt. Das Vorhaben der maltesischen Regierung verstoße eindeutig gegen das Recht der Europäischen Union.
Zwei Anwälte aus Österreich und Deutschland haben deshalb bereits Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt, wie die Zeitung „Times of Malta“ berichtet. Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigte gegenüber der ARD, dass die Beschwerde derzeit geprüft werde.
Reaktion der deutschen Regierung ist vorerst zurückhaltend
Die Reaktion der deutschen Regierung auf das Thema bleibt vorerst zurückhaltend. Trotz wachsender Besorgnis von Verbraucherschützern und Juristen gibt sich die Bundesregierung bislang weitgehend ahnungslos. Auf Anfrage der ARD verweisen verschiedene Bundesministerien aufeinander und schieben einander die Zuständigkeit zu.
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) hat zwar Kenntnis von der geplanten Gesetzesänderung, kann aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Einschätzung zu den Auswirkungen auf den Spielerschutz in Deutschland abgeben. Die Haltung der Bundesregierung bleibt daher vorerst abzuwarten.
Der ehemalige Linken-Politiker Fabio De Masi fordert in diesem Zusammenhang eine entschlossenere Haltung der Politik. Insbesondere das Wirtschaftsministerium müsse sich dafür einsetzen, dass Malta weiterhin deutsche und europäische Gerichtsurteile anerkennt.
De Masi verweist vorwiegend die wiederholte Verbindung der Branche zu Geldwäsche und organisierter Kriminalität. Er fordert die Politik auf, hier nicht tatenlos zuzusehen und sich stärker zu engagieren.