Auswuchs des illegalen Glücksspiels in Baden-Württemberg

Starker Anstieg des illegalen Glücksspiels in Baden-Württemberg: Eine besonders große Gefahr geht von manipulierten Fun-Games im stationären Bereich aus.

Sonja Çeven Datum: Lesedauer: min.
zuletzt aktualisiert: 26.01.2024

Auswuchs des illegalen Glücksspiels in Baden-Württemberg

Starker Anstieg des illegalen Glücksspiels in Baden-Württemberg: Eine besonders große Gefahr geht von manipulierten Fun-Games im stationären Bereich aus.

Inhaltsverzeichnis

    Die Anzahl der nachgewiesenen Fälle illegalen Glücksspiels in Baden-Württemberg ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Von 2018 bis 2022 habe sich die Anzahl diesbezüglicher Straftaten im stationären Bereich fast vervierfacht, berichtet das Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen auf Anfrage. 

    Mit seiner auf den 23.01.2024 datierten Stellungnahme reagiert das Ministerium auf einen Antrag des Landtagsabgeordneten Tim Brückner. Dieser zielte mit neun konkreten Fragen auf Informationen bezüglich der Verbreitung, Kontrolle und Strafverfolgung des illegalen Glücksspiels im Land Baden-Württemberg ab.

    Starker Anstieg illegaler Geldspielgeräte und manipulierter Fun-Game-Geräte

    Laut dem von Thomas Strobl, dem Minister des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen, unterzeichneten Dokument betrachte das Ministerium vier verschiedene Formen illegalen Glücksspiels:

    • illegale Geldspielgeräte, die nicht oder nicht mehr zugelassen oder nachträglich manipuliert worden sind
    • Kartenspiele wie Poker oder Blackjack
    • nicht erlaubte Online-Glücksspiel-Plattformen
    • zu einem Glücksspiel umprogrammierte elektronische Spielgeräte

    Besonders letztere Kategorie sei jüngst zu einem großen Problem geworden. Es handle sich dabei um sogenannte „Fun Games” bzw. konkret „Fun4Four-Geräte”. Dies seien Spieltische, an denen bis zu sechs Spielerinnen und Spieler Platz finden könnten. Die Geräte, die für den Unterhaltungsbereich legal genutzt werden könnten, würden dabei oft für unerlaubte Echtgeld-Glücksspiele wie Roulette und Poker umprogrammiert. 

    Neben einem Verstoß gegen § 284 StGB, nach welchem das Betreiben illegaler Glücksspiele als Straftat gilt, liege dadurch auch ein Verstoß gegen das Markenrecht vor. Seit 2018 sei die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel insgesamt stark angestiegen.

    Veranstaltung und Teilnahme am illegalen Spiel eine Straftat

    Dies betreffe nicht nur die Veranstaltung, sondern auch die Teilnahme am illegalen Glücksspiel (§ 285 StGB). Eine Straftat nach § 287 StGB (Veranstaltung illegaler Lotterien) sei im präsentieren Zeitraum nur zweimal festgestellt worden (je eine 2018 und 2021). Insgesamt sei die Zahl aller drei Kategorien von 55 Fällen im Jahr 2018 auf 209 Fälle im Jahr 2022 angestiegen. 

    Besonders stark sei der Anstieg der Verstöße gegen § 284 StGB von 32 Fällen auf 134 Fälle im genannten Zeitraum. Nach Ansicht des Ministeriums lägen die Fälle illegalen Glücksspiels in Baden-Württemberg damit aber „insgesamt auf einem niedrigen Niveau”. Nichtsdestoweniger zeichne sich auch für das Jahr 2023 erneut ein Aufwärtstrend im negativen Sinne ab. 

    Interessant dürften die Zahlen insbesondere im Kontext der aktuellen Diskussion um die Entkriminalisierung des illegalen Glücksspiels sein. So setzt sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) seit Ende letzten Jahres für eine Streichung von §§ 284, 285 und 287 StGB ein.

    Dunkelziffer unbekannt

    Laut der Stellungnahme des Ministeriums gebe es bei monatlicher Betrachtung der Fallzahlentwicklung allerdings „erhebliche Verzerrungsfaktoren”, weshalb die von den Polizeibehörden erfassten Zahlen teils wenig aussagekräftig seien. Auch gebe es keine offizielle Statistik, was Ordnungswidrigkeiten (im Vergleich zu Straftaten) im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel betreffe. 

    Die Dunkelziffer im Bereich Straftaten und Ordnungswidrigkeiten könnte jedoch deutlich über den präsentierten Zahlen liegen. So blieben Fälle illegalen Glücksspiels ohne aktive Polizeikontrollen nahezu unbemerkt. Weder bei Beteiligten noch bei Zeugen bestehe eine ausreichende Anzeigebereitschaft. 

    Die zuständigen Polizeidienststellen bauten ihre Fachexpertise durch Weiterbildungen daher zunehmend aus. Auch dies könne einen Anstieg der Fallzahlen erklären, da das Dunkelfeld womöglich schlichtweg aufgehellt werde.

    Keine landesspezifischen Informationen zu Ursachen und Umsatzentwicklung

    In seinem Antrag hat der Abgeordnete zudem konkret gefragt, ob das Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2021 eine Ursache für den Anstieg des illegalen Glücksspiels im stationären Bereich darstellen könnte. Das Ministerium verweist hierbei auf die Zahlen der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL), nach denen es hierfür keinerlei Anhaltspunkte gebe. 

    Demnach sei der Schwarzmarkt von 13 % im Jahr 2020 auf 6 % im Jahr 2022 gesunken. Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) hat den Rechenansatz der Behörde allerdings harsch kritisiert und sei selbst zu einem deutlich anderen Ergebnis von rund 50 % Schwarzmarkt-Anteil gekommen. 

    Auch auf die Frage nach der Umsatzentwicklung des Schwarzmarkts gibt es lediglich einen Verweis auf die Zahlen der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, die ebenso in der Kritik stehen. 

    Wie Vertreter der Glücksspielbranche immer wieder betonen, könne der legale Markt oft nicht mit dem Schwarzmarkt mithalten, was die Attraktivität der Produkte betreffe. Dies deutet zum Teil auch das Ministerium in seiner Stellungnahme an. So heißt es dort: 

    Nach Vorgabe [...] muss ein Geldspielgerät nach [...] drei Stunden eine fünfminütige Pause verbunden mit der gänzlichen Entleerung der Geldspeicher einlegen. Fun Games können in dieser Situation dazu genutzt werden, den Spieler in der Örtlichkeit zu halten [...] Eine nicht erlaubte Gewinnausschüttung und Abrechnung kann dann über eine separat geführte Kasse erfolgen. Der Gewinn aus diesen Geräten kann den des genormten Gewinns in Höhe von 400 Euro pro regulärem Geldspielgerät und Stunde um ein Vielfaches übersteigen.

    Dies stehe den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags entschieden entgegen, da es ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Spielsuchtentwicklung gebe. Spielerinnen und Spieler könnten nämlich auch in „kürzester Zeit einen drei- oder vierstelligen Betrag verlieren”, während der Verlust an einem legalen Geldspielgerät auf 60 € pro Stunde begrenzt sei.

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