Autoren des Glücksspiel-Survey 2021 reagieren auf kritisches Gutachten

Die Autoren des Glücksspiel-Survey 2021 haben auf das kritische Gutachten reagiert. In ihrer Stellungnahme erheben sie auch Vorwürfe gegen die Gutachterin und ihre Auftraggeber.

Sonja Çeven Datum: Lesedauer: min.
zuletzt aktualisiert: 29.09.2023

Autoren des Glücksspiel-Survey 2021 reagieren auf kritisches Gutachten

Die Autoren des Glücksspiel-Survey 2021 haben auf das kritische Gutachten reagiert. In ihrer Stellungnahme erheben sie auch Vorwürfe gegen die Gutachterin und ihre Auftraggeber.

Inhaltsverzeichnis

    Die Autoren des Glücksspiel-Survey 2021 haben eine gemeinsame Stellungnahme zum kritischen Gutachten der Statistikerin Katharina Schüller abgegeben. In dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Gutachten hat Schüller mehrere methodische Fehler bei der Durchführung der Studie beleuchtet. Prof. Dr. Gerhard Meyer, Dr. Jens Kalke, Dr. Sven Buth und Dr. Holger Liljeberg haben nun zu acht Kritikpunkten Stellung bezogen.

    Diskussion um große Diskrepanz bei den Spielsucht-Zahlen

    Mit dem vom ISD Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Hamburg und der Arbeitseinheit Glücksspielforschung der Universität Bremen veröffentlichte Glücksspiel-Survey 2021 wurde die Aussage getätigt, dass 8 % der Bevölkerung zwischen 18 und 70 Jahren von problematischem Glücksspiel betroffen seien. 

    Aus Sicht der vier deutschen Glücksspielverbände, die das Gutachten Schüllers in Auftrag gegeben haben, entspricht diese Zahl keinesfalls der Realität. Schüller hat daher das Studiendesign untersucht, um den Weg zu der hohen Prozentzahl nachzuvollziehen. Schließlich hatte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in ihrer Studie aus dem Jahr 2019 hingegen von 0,73 % problematischem Spielverhalten berichtet.

    Vorwürfe gegen Gutachterin und Auftraggeber

    In ihrer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme betonen die Autoren zunächst, welchen Ursprung das kritische Gutachten hat. Auftraggeber seien Fachverbände, die „die Interessen der bundesdeutschen Anbieter von Glücksspielformen, die [...] ein besonders hohes Gefährdungspotenzial aufweisen”, vertreten.

    Weiterhin erheben Meyer, Kalke, Buth und Liljeberg den Vorwurf, dass es sich bei dem Gutachten größtenteils um „eine Mischung aus selektiven Befunden, unterschwelligen Behauptungen sowie einseitigen methodischen Ansichten” handle. Zum Ziel des Gutachtens schreiben die Studienautoren: 

    „Mit dem Gutachten wird offensichtlich der Zweck verfolgt, die Aussagekraft der Ergebnisse des GS-Survey in Zweifel zu ziehen und die an diesem Projekt beteiligten Institutionen in Misskredit zu bringen.” 

    Wie der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) hingegen am Mittwoch in einem Beitrag erläutert hat, sollte das Gutachten „wissenschaftlich saubere Wege” zur Erhebung von Glücksspielprävalenz und problematischem Spielverhalten aufzeigen. Insbesondere wenn es um Regulierungsfragen gehe, bedürfe es einer sorgfältigen evidenzbasierten Grundlage.

    Studiendesign laut Autoren alternativlos

    Die Survey-Autoren gehen in ihrer Stellungnahme auf acht Kritikpunkte der Statistikerin ein. Diese hatte bemängelt, dass eine Vermischung aus Telefon- und Online-Befragung zu einer Beeinträchtigung der Datenqualität führe. Die Autoren entgegnen, dass diese Erhebungsmethode national und international auch im Glücksspielbereich längst üblich sei.

    Die Befragung auf zwei Wegen sei auch angesichts der abnehmenden Bereitschaft der Bevölkerung zur Teilnahme an Umfragen nötig. Die von Schüller angesprochene Nonresponse-Quote von 90 % bei der Online-Befragung bedeute zudem nicht, dass es sich um Antwortverweigerung handle. 

    Es gebe zahlreiche mögliche Gründe für die hohe Quote, bspw. Abwesenheit oder Zeitmangel der Empfänger, überfüllte Postfächer oder Eingang der Umfrage im Spam-Ordner. Ein Vergleich der Kooperationsquote via Telefon oder online sei daher nicht möglich. 

    Auch Schüllers Kritik, dass die Studie nicht als Längsschnittstudie durchgeführt worden sei, laufe ins Leere. Schließlich habe es sich auch bei den BZgA-Studien immer um Querschnittstudien gehandelt. Für eine Längsschnitterhebung bedürfe es einer deutlich größeren Teilnehmerzahl. Warum eine solche nicht erreicht werden kann, erläutern die Autoren allerdings nicht.

    Auslegung der DSM-5-Kriterien gerechtfertigt

    Im Weiteren erläutern die Autoren auch, warum sie die Kategorie „riskante Spieler“ abgebildet haben, auch wenn es hier in der Wissenschaft keine einheitliche Definition gebe. Im Glücksspiel-Survey würden all jene Spieler als „riskant” eingestuft, die mindestens eines der neun DSM-5-Kriterien erfüllten. 

    Bei den auf die DSM-5-Kriterien basierenden Befragungen bzw. Selbsttests werden in der Regel acht oder neun Fragen gestellt. Die Antwortmöglichkeiten sind Multiple-Choice und beinhalten für gewöhnlich die Optionen „immer”, „häufig”, „manchmal” und „nie”. Fragen sind bspw. „Sind sie über ihr eigenes Spielverhalten besorgt?” oder „Sind oder waren Sie schon einmal unehrlich in Bezug auf Ihr Spielverhalten?”. 

    Bereits wer auf eine einzige der Fragen mit „manchmal” und auf alle anderen mit „nie” antwortet, erhält den Hinweis, dass riskantes Spielverhalten vorliegt und bereits Schäden durch dieses entstehen könnten. 

    Laut den Autoren sei die Kategorie der Risikospieler in der internationalen Suchtforschung bereits etabliert. Sie liefere empirische Informationen, die schlussendlich für Präventions- und Hilfsmaßnahmen unerlässlich seien. 

    Die Studien-Verfasser räumen allerdings ein, dass die Bedeutung der DSM-5-Kriterien hätte besser erläutert werden können. Dies würden sie für den Glücksspiel-Survey 2023 nun berücksichtigen.

    Drei Behauptungen der Gutachterin unwahr

    Einige der von Schüller geäußerten Kritikpunkte hingegen seien schlicht unwahr. So habe es sich bei der Wahl der Stichprobe nicht um eine Selbstselektion Glücksspiel-affiner Probanden gehandelt. Im Gegenteil sei es eine „strenge Quota-Auswahl aus aktiv rekrutierten Teilnehmer mehrerer Online-Accesspanels” gewesen. 

    Außerdem seien, anders als von Schüller behauptet, durchaus umfangreiche Pretests durchgeführt worden. Und zu guter Letzt gebe es zu den Ergebnissen des Surveys zwei Publikationen, die von Gutachtern geprüft und damit „peer-reviewed” seien.

    Keine Stellungnahme zum Vorwurf der Intransparenz

    Auf den letzten Kritikpunkt der Gutachterin, der durchaus die größten Fragen und Zweifel aufkommen lassen könnte, gehen die Autoren in ihrer Stellungnahme allerdings nicht ein. Laut Schüller sei ihr der Einblick in die genauen Umfragedaten, den Feldbericht und den Fragebogen seitens der Autoren verweigert worden. 

    Dies verstoße gegen die Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und sei daher ein Zeichen von Intransparenz. So schreibt Schüller im Gutachten: 

    „Weiterhin lassen sich die Ergebnisse des Glücksspiel-Surveys entgegen wissenschaftlicher Qualitätsstandards nicht überprüfen, da die Autoren Mängel des Surveys, die ihnen zumindest teilweise bekannt sind, nicht diskutieren und trotz ausführlich begründeter Anfrage für das vorliegende Gutachten weder Daten noch den Fragebogen zur Verfügung stellten.”

    Dies habe dazu geführt, dass die Survey-Ergebnisse bisweilen im gesellschaftlichen, politischen und medialen Bereich fehlerhaft rezipiert worden seien. Für bereits erfolgte Fehlinterpretationen in den Medien oder Gerichtsbeschlüssen seien die Autoren daher „mindestens mittelbar verantwortlich”.

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