Großbritannien: Kontroverse um Bonitätsprüfungen im Online-Glücksspiel

Als Reaktion auf „unausgewogene” Berichterstattung der Zeitung Racing Post stellt die britische Glücksspielbehörde (UKGC) in einem offenen Brief einige Fakten zu den geplanten Bonitätsprüfungen richtig.

Sonja Çeven Datum: Lesedauer: min.
zuletzt aktualisiert: 20.09.2023

Großbritannien: Kontroverse um Bonitätsprüfungen im Online-Glücksspiel

Als Reaktion auf „unausgewogene” Berichterstattung der Zeitung Racing Post stellt die britische Glücksspielbehörde (UKGC) in einem offenen Brief einige Fakten zu den geplanten Bonitätsprüfungen richtig.

Inhaltsverzeichnis

    Die Diskussionen um die geplante Neuregulierung des Glücksspiels in Großbritannien gehen weiter. Ein besonders polarisierendes Thema sind die angedachten Bonitätsprüfungen von Spielern in Online-Casinos und bei Online-Buchmachern. Die britische Glücksspielbehörde UK Gambling Commission (UKGC) hat nun auf die sehr negative Berichterstattung zum Thema reagiert und einen offenen Brief publiziert. 

    In diesem geht die Behörde konkret auf Behauptungen und Kritik der britischen Sportwetten-Zeitung Racing Post ein. Die UKGC wolle mit ihrem Brief einige Zweifel und Sorgen ausräumen, heißt es darin anfangs. Auch habe die Behörde die Racing Post gebeten, den Brief ihrerseits zu veröffentlichen. Die Zeitung habe sich aber geweigert und die UKGC zudem nie von sich aus um Klärung offener Fragen gebeten.

    Nur 3,7 % der Kunden von der finanziellen Risikoeinstufung betroffen

    Die Glücksspielbehörde bezeichnet die journalistische Arbeit der Racing Post daher als „ungeniert unausgewogen”. Es sei daher nötig, einige Behauptungen der Zeitung aufzugreifen und zu korrigieren. Der Brief richtet sich daher direkt an die Leserschaft der Racing Post. 

    Die Behörde verstehe, dass sich Glücksspieler betreffend die geplanten Bonitätsprüfungen aktuell insbesondere um ihre Privatsphäre sorgten. Zunächst sei hierzu klarzustellen, dass nur die wenigsten Online-Casino- oder Sportwetten-Kunden überhaupt von finanziellen Risikobewertungen betroffen sein würden. 

    Die Racing Post stelle es so dar, als müsse ein Großteil aller Spielerinnen und Spieler ihre finanziellen Daten offenlegen. Die UKGC gehe auf Basis von Daten aber davon aus, dass lediglich 3 % der Accounts einer speziellen Prüfung unterzogen werden. Und lediglich bei einem Bruchteil davon, nämlich bei 0,3 % aller Spielerkonten, werde eine externe Prüfung durch eine Wirtschaftsauskunftei nicht genügen. 

    Im Umkehrschluss würden also 99,7 % aller Spieler niemals direkt um Nachweise gebeten werden. Noch sei nicht entschieden, wie genau die Überprüfung der 0,3 % aussehen solle, weshalb sich für die Racing Post und ihre Leserschaft jetzt die Chance biete, selbst an der Konsultation teilzunehmen. 

    Da die Bonitätsprüfungen extern durchgeführt werden sollen, hätten die Glücksspiel-Anbieter zudem keine Einsicht in die Kontobewegungen ihrer Kunden. Die wenigen Informationen, die die Anbieter von den Wirtschaftsauskunfteien oder Banken erhielten, dürften zudem ausschließlich zu Zwecken der Risikoeinstufung genutzt werden, nicht etwa zu Werbezwecken oder zur Identifizierung und Ausgrenzung von Gewinnern.

    Ausschließlich Online-Casinos und Online-Buchmacher betroffen

    Die UKGC wolle zudem betonen, dass das Thema Bonitätsprüfungen ausschließlich das Online-Glücksspiel betreffe. Erst letzte Woche hatte die Racing Post diesbezüglich einen Artikel veröffentlicht, in dem sich ein Buchmacher hierzu zu Wort meldet. Laut diesem sei es nur eine Frage der Zeit, bis auch im stationären Geschäft Bonitätsprüfungen anfallen. 

    Das Problem mit den Bonitätsprüfungen ist folgendes: Auch wenn sie online anfangen, werden sie mit fast absoluter Garantie auch auf Wettbüros ausgeweitet. Dafür wird es keine Orientierungshilfe geben und es wird absolutes Chaos ausbrechen. Die Angestellten in unseren Shops kennen die Stammkunden, aber anders als online können wir keine Prüfungen im Hintergrund machen, ohne dass die Kunden es mitbekommen.” 

    Zudem sehe er folgendes Szenario: Wenn die Spieler online ihre Informationen nicht teilen wollten, würden sie stattdessen in ein stationäres Wettbüro gehen. Wenn sie dann auch dort mit der Überprüfung konfrontiert würden, wovon auszugehen sei, würden sie am Ende auf den Schwarzmarkt gehen. 

    Die UKGC betont in ihrem Brief daher, dass es keineswegs geplant sei, die Bonitätsprüfungen auch im stationären Bereich einzuführen. Casinos, Spielhallen und Wettbüros sollen weiterhin auf Basis ihrer Sozialkonzepte und Anti-Geldwäsche-Verordnungen Prüfungen durchführen können.

    Glücksspielbehörde ermutigt zur Teilnahme an laufender Konsultation

    Ein dritter aufzuklärender Punkt sei die Annahme, dass Bonitätsprüfungen sich auf die Kreditwürdigkeit einer Person auswirken könnten. Auch dies sei nicht der Fall, denn die Spielerdaten sollen niemals mit dem Finanzsektor geteilt werden. Aufgrund der vielen Missverständnisse zum Thema lade die UKGC daher auch die Öffentlichkeit dazu ein, sich im Rahmen der Konsultation im Detail zu informieren und auch die eigene Meinung zu teilen.

    Der Konsultationszeitraum hat am 26. Juli 2023 begonnen und läuft noch bis zum 18. Oktober 2023. Die Beteiligung steht absolut jedem offen, weshalb auch die allgemeine Bevölkerung hierzu eingeladen ist. Die UKGC wolle möglichst viele Meinungen einholen, insbesondere auch von Akteuren innerhalb der Glücksspielbranche als auch den Spielerinnen und Spielern. 

    Ziel sei, die richtige Balance zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Schutz der vulnerabelsten Personen zu finden.

    Details zum Vorhaben: Bonitätschecks schon ab 125 GBP Verlust?

    Im Rahmen der Konsultation legt die UKGC ihre Pläne und Ideen detailliert offen. Zunächst einmal soll es grundsätzlich zwei Stufen von Bonitätschecks geben: Erstens die „Prüfung der finanziellen Vulnerabilität” und zweitens die „Finanzielle Risikobewertung”.

    Prüfung der finanziellen Vulnerabilität

    Eine Prüfung der finanziellen Vulnerabilität soll Kunden identifizieren, die sich eine bestimmte Summe von Verlusten im Online-Glücksspiel nicht leisten können. Diese Art der Prüfung soll unaufdringlich und ohne direkten Einbezug des jeweiligen Kunden erfolgen, indem öffentlich verfügbare Daten herangezogen werden. 

    Die UKGC setzt die Schwellenwerte für diese Art der Prüfung dabei recht niedrig an. So sollen die Prüfungen der finanziellen Vulnerabilität ab einem monatlichen Verlust von 125 GBP (144 Euro) sowie bei einem Jahresverlust von 500 GBP (577 Euro) erfolgen. Hierbei geht es um den Netto-Verlust. Verlorene Gewinne (Umsatz) werden nicht mitgerechnet. 

    Die UKGC schätzt, dass rund 6,1 Millionen und damit 21 % aller Kundenkonten von diesen Prüfungen betroffen sein werden, was notwendig, geeignet und verhältnismäßig sei. Diese erste Art der Prüfung solle alle 12 Monate stattfinden.

    Finanzielle Risikobewertung

    Eine finanzielle Risikobewertung hingegen soll im Fall ungewöhnlich hoher Verluste und unter Einbeziehung von Wirtschaftsauskunfteien durchgeführt werden. Der Schwellenwert, ab welchem eine Prüfung dieser Art erfolgen soll, liegt bei 1.000 GBP (1.155 Euro) Verlust innerhalb von 24 Stunden sowie bei einem Verlust von 2.000 GBP (2.310 Euro) innerhalb von 90 Tagen. 

    Die UKGC bezeichnet Verluste von mindestens 1.000 GBP innerhalb von 24 Stunden als „Binge Gambling”, welches auf insgesamt 600.000 Kundenkonten (2 %) zutreffe. Mindestens 2.000 GBP Verlust innerhalb von 90 Tagen hingegen lasse sich bei einer Millionen Accounts (3,2 %) feststellen

    Für junge Spieler unter 25 Jahren sollen jedoch niedrigere Schwellenwerte gelten, nämlich 500 GBP  Verlust innerhalb von 24 Stunden und 1.000 GBP Verlust innerhalb von 90 Tagen. Die Prüfungen sollen alle sechs Monate wiederholt werden. 

    Etwa 3 % aller Online-Glücksspieler würden künftig von dieser Art der Prüfung betroffen sein. Dies gehe aus Daten der Anbieter hervor, so die Glücksspielbehörde. Allerdings hätten die Daten auch gezeigt, dass nur bei 35,5 % dieser Spieler eine vom Anbieter initiierte Interaktion folgt. Und lediglich 0,84 % würden telefonisch kontaktiert, um über das Spielverhalten zu sprechen.

    Auch wenn ein Verlust von 2.000 GBP im Jahr nicht zwingend bedeute, dass Spieler mehr verlören, als sie sich leisten könnten, seien mehr Kontrollen angebracht. Finanzielle Not sei bei den meisten von Spielsucht betroffenen Spielern ein großes Problem. Laut dem jüngsten Jahresbericht der Spielerhilfe GamCare hätten 80 % der sich in Behandlung befindenden Problemspieler finanzielle Probleme.

    Postleitzahl und Berufsbezeichnung als Zusatzfaktoren

    In der Konsultation geht es zudem um die Frage, welche weiteren Faktoren zum Anlass einer Bonitätsprüfung herangezogen werden könnten. Denkbar sei die Berücksichtigung der Postleitzahl von Spielern sowie ihrer Berufsbezeichnung. 

    So könne die Postleitzahl eines Spielers grob auf den Lebensstandard hinweisen. Anders als in Deutschland werden Postleitzahlen nicht nur nach Städten oder Stadtteilen zugeordnet, sondern nach einzelnen Gebäuden. Über die Postleitzahl lasse sich daher leicht herausfinden, ob jemand bspw. in einem Einfamilienhaus, einer gewöhnlichen Mietswohnung oder in einer Sozialwohnung lebe. 

    Bezogen auf die Berufsbezeichnung hingegen könne geprüft werden, welchen Durchschnittslohn der jeweilige Spieler haben könnte. Wie eine Lösung hier für Freiberufler aussehen könnte, bleibt offen. Derzeit müssen Glücksspieler auch in Großbritannien gegenüber einem Online-Casino oder Buchmacher keine Angabe zum Beruf machen.

    Gefrorene Konten oder Einschränkungen während Überprüfung denkbar

    Ebenfalls noch zur Diskussion steht, wie lange eine finanzielle Risikoprüfung maximal dauern sollte und was in der Zwischenzeit mit dem Spielerkonto geschehen sollte. Da davon auszugehen sei, dass bei einem Großteil der Bonitätsprüfungen des zweiten Typs kein tatsächlicher Handlungsbedarf bestehe, sollen auch diese so wenig „störend” wie möglich sein. 

    Andererseits könne es sinnvoll sein, weitere Einzahlungen bis zum Abschluss der Prüfung zunächst zu blockieren. Somit würden all jene vor weiteren Schäden geschützt werden, die sich bei der Prüfung später tatsächlich als Personen in finanzieller Not herausstellen. Ebenfalls denkbar sei eine sofortige Kontosperrung, falls ein Spieler einen unerwarteten und ungewöhnlich hohen Verlust verbuche. 

    Zusätzliche denkbare Maßnahmen seien das vorübergehende Einstellen von Marketing-Aktivitäten gegenüber den zu prüfenden Spielern sowie die Aufforderung an Spieler, sich Limits zu setzen oder einen Blick in die verfügbaren Hilfsangebote zu werfen.

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