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Die öffentlich ausgetragene Diskussion zwischen der Gutachterin Katharina Schüller und den Autoren des Glücksspiel-Survey 2021 geht in die nächste Runde. Nachdem Prof. Dr. Gerhard Meyer, Dr. Jens Kalke, Dr. Sven Buth und Dr. Holger Liljeberg in einer Stellungnahme vom 27. September Design und Durchführung ihrer Studie verteidigt haben, folgte am Samstag die Antwort der Gutachterin.
Schüller reagiert darin auf die in der Stellungnahme aufgeführten Argumente und lädt die Autoren der Studie zu einer persönlichen und öffentlichen wissenschaftlichen Diskussion ein.
Gutachterin hofft auf neutrale Debatte ohne persönliche Angriffe
Die Statistikerin betont, dass eine direkte Kooperation sinnvoller sei als ein weiterer Austausch öffentlicher Stellungnahmen. Schüller distanziert sich dabei zudem von persönlichen Angriffen und fordert einen Austausch ohne „Polemik”.
„Die Versuche der Herabwürdigung sowohl meiner Person sowie mindestens mittelbar auch der wissenschaftlichen Qualitäten von Prof. Dr. Münnich, mit denen die Survey-Autoren ihre Stellungnahme einleiten, nehme ich zur Kenntnis. Ich erachte es als Wissenschaftlerin nicht für erforderlich, diese zu kommentieren.”
Schüller und Prof. Münnich, der in der Stellungnahme der Autoren gänzlich unerwähnt blieb, versicherten, dass die Auftraggeber der Studie zu keiner Zeit auf die Ergebnisse des Gutachtens Einfluss genommen hätten, heißt es weiter.
Sie freue sich daher auf eine weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Autoren. Die Wissenschaft lebe schließlich von engagierten Streitgesprächen.Sie erachte es jedoch als selbstverständlich, dass alle Parteien dabei auf Polemik und persönliche Angriffe verzichten.
Vorschnelle und oberflächliche Reaktion auf Gutachten?
Die im Gutachten elaborierten Kritikpunkte hingegen blieben bestehen, so Schüller. Sie vermute, dass sich die Autoren der Studie aufgrund der kurzen Zeitspanne seit der Veröffentlichung des Gutachtens noch nicht eingehend genug mit diesem beschäftigt hätten. Nur so ließen sich die Behauptungen und Rechtfertigungsversuche sowie die Tatsache, dass Prof. Dr. Ralf Münnich in der Stellungnahme gänzlich unerwähnt geblieben sei, einordnen.
Zudem sei die Stellungnahme der Autoren ein weiterer Beleg dafür, dass Methodenexperten grundsätzlich in die Planung und Auswertung von Studien dieser Art einbezogen werden sollten, um die Qualität der Ergebnisse zu sichern. In ihrer Antwort wolle Schüller daher die Rechtfertigungs-Argumente der Autoren lediglich noch einmal „knapp” kommentieren.
Fehler und veraltete Methoden fortgeführt
Zunächst sei der Versuch der Rechtfertigung der Mixed-Mode-Methode der Studie gescheitert. Die Literatur, mit welcher die Autoren die Mischung aus Telefon- und Online-Befragung begründeten, sei veraltet. Auch das Argument, dass diese Art der Befragung im Rahmen von Wahlforschung zum Einsatz komme, sei irrelevant.
Die hohe Nonresponse-Quote von 90 % in der Online-Befragung sei, anders als von den Autoren dargestellt, sehr wohl von großer Bedeutung. Sie sei mit „kaum lösbaren methodischen Problemen verbunden” und müsse daher unbedingt diskutiert werden. Die Autoren hätten keinen Hinweis darauf erbracht, ob sie sich des Problems bewusst gewesen oder wie sie mit diesem umgegangen seien.
Das Argument, dass die Studie auf einer Querschnittsbefragung basiere, weil dies zuvor auch bei den Studien der BZgA, sei laut Schüller ebenfalls ungültig. Grund dafür sei, dass die Autoren in der Studie Kausalzusammenhänge erstellt hätten, die grundsätzlich nur durch Längsschnittstudien belegt werden könnten.
Umstrittene Kategorie „Riskantes Spielverhalten” als Problemspiel präsentiert
Weiterhin geht Schüller auf die Rechtfertigung der von den Autoren eingeführten Kategorie der „riskanten Spieler” ein. Während das sogenannte Risikospiel auch in anderen Studien ermittelt werde, bspw. in den Studien der BZgA, sei im Glücksspiel-Survey eine falsche Zuordnung erfolgt. So hätten die Autoren die „riskanten Spieler” den „problematischen Spielern” zugerechnet.
So sei die Zahl entstanden, dass 8 % der Bevölkerung zwischen 18 und 70 Jahren von „nicht unproblematischem Spielverhalten” betroffen seien. „Nicht unproblematisch” heiße im Umkehrschluss „problematisch” und genau als solches seien die 8 % anschließend in den Medien breitflächig aufgegriffen worden.
Insgesamt liege bei der Heranziehung der DSM-5-Kriterien ein großer Widerspruch auf Seiten der Autoren vor. Diese hätten nämlich selbst gesagt, dass es sich bei den DSM-5-Kriterien um ein individualdiagnostisches Instrument handle, dessen Eignung für epidemiologische Untersuchung womöglich nicht ausreiche. Schüller zitiert einen Beitrag aus dem Jahr 2016:
„Auch wenn die DSM-5-Kriterien eine zufriedenstellende Verlässlichkeit, Gültigkeit und Genauigkeit bei der Klassifizierung erreichen, könnten sie für epidemiologische Studien schlussendlich weniger geeignet sein, da sie ursprünglich für die klinische Nutzung entworfen wurden.”
Transparenz fehlt weiterhin - Angebot der Kooperation steht
Abschließend betont die Statistikerin, dass die Autoren weiterhin nicht zur Transparenz bereit seien. Schüllers Bitte, Einblick in die erhobenen Rohdaten, genutzten Fragebögen und Begleitmaterialien zu erhalten, hätten diese „brüsk zurückgewiesen”. Am 11.07.2023 hätten diese dann die Korrespondenz mit ihr per E-Mail gänzlich abgebrochen.
Die Gutachterin gebe den Autoren nun weiterhin die Chance, die erfragten Materialien offenzulegen, um die fehlende Transparenz herzustellen. Sie betont weiterhin ihre Bereitschaft zur weiteren wissenschaftlichen Diskussion rund um den Glücksspiel-Survey und das kritische Gutachten zu diesem.