Dänemark verschärft Glücksspielregeln

Dänemark dreht an der Regulierungs­schraube. Mit „Spilpakken 1“ verbietet die Regierung Wettwerbung während Live-Sport und schränkt Außenwerbung sowie Boni ein. Die Industrie warnt vor Abwanderung zum Schwarzmarkt.

Sabine Löwenberger Datum: Lesedauer: min.
zuletzt aktualisiert: 30.10.2025

Dänemark verschärft Glücksspielregeln

Dänemark dreht an der Regulierungs­schraube. Mit „Spilpakken 1“ verbietet die Regierung Wettwerbung während Live-Sport und schränkt Außenwerbung sowie Boni ein. Die Industrie warnt vor Abwanderung zum Schwarzmarkt.

Inhaltsverzeichnis

    Branche unter Schock wegen Dänemarks Vorgehen gegen Glücksspiele

    Dänemark hat ein neues Maßnahmenpaket zur Glücksspielregulierung vorgelegt. „Spilpakken 1“ sieht ein vollständiges Verbot von Wettwerbung während Live-Sportübertragungen vor. Hinzu kommen strengere Kontrollen der Außenwerbung und Beschränkungen für Free-to-Play Boni. Im Umkreis von 200 Metern um Schulen wird Außenwerbung künftig untersagt.

    Regierung setzt mit Spilpakken 1 auf harte Maßnahmen

    Beobachter gehen davon aus, dass dies in großen Städten faktisch das Aus für Glücksspiel-Außenwerbung bedeutet. Die neuen Beschränkungen sollen im Januar 2027 in Kraft treten.

    Steuerministerin Ane Halsboe-Jørgensen von den Sozialdemokraten spricht von einem klaren Kurswechsel. Es sei der „Beginn einer Abrechnung“ mit einer Industrie, die „viel zu lange zu viel Raum eingenommen hat“. Ziel sei es zu verhindern, dass Unterhaltung „zur Sucht wird“.

    Dafür brauche es verantwortungsbewusste Betreiber, strengere Regeln und nachhaltige politische Anstrengungen. Jan E. Jørgensen von der Liberalen Partei Venstre betont, er sei „sehr froh“, dass eine breite Einigung erzielt wurde, die Kinder und Jugendliche „viel besser vor Werbung für Glücksspiele schützen“ solle.

    Die Regierung verweist auf Zahlen aus dem Jahr 2021. Demnach hatten fast 500.000 Erwachsene in Dänemark in gewissem Maße Glücksspielprobleme, was einer Verdopplung seit 2016 entspricht. Rund 30.000 Menschen litten unter schweren Problemen. Etwa 25.000 Kinder und Jugendliche waren in gewissem Umfang von den Folgen des Glücksspiels betroffen.

    Vom Vorreiter zum Risikofall

    Dänemark galt mehr als ein Jahrzehnt als Vorbild für eine ausgewogene Regulierung. Die Regeln waren streng genug, um Verbraucher zu schützen, zugleich aber flexibel genug, um einen wettbewerbsfähigen lizenzierten Markt zu ermöglichen.

    Dieses Gleichgewicht wurde von der Branche immer wieder als Schlüssel zum Erfolg beschrieben. Im August erzielte der Markt Glücksspieleinnahmen von 714 Millionen dänischen Kronen. Das entspricht einem Anstieg im Jahresvergleich und gegenüber dem Vormonat. Sportwetten und iGaming legten gegenüber dem Vorjahresmonat zweistellig zu.

    Wesentlich für das bisherige Modell war die Arbeitsweise der Glücksspielbehörde. Sie agiert offen und dialogorientiert. Jedem Betreiber werden zwei feste Ansprechpartner zugewiesen, einer für rechtliche Fragen und einer für technische Fragen.

    Branchenvertreter bezeichnen die Behörde als „Kitt des Systems“, der durch direkte und transparente Kommunikation Vertrauen schafft. Ein von der schwedischen Handelsorganisation BOS in Auftrag gegebener Vergleichsbericht zwischen Schweden und Dänemark hob dieses Miteinander ausdrücklich hervor.

    Die jüngsten Eingriffe sorgen dennoch für heftige Reaktionen. Morten Rønde, Direktor des dänischen Branchenverbands Spillebranchen und geschäftsführender Gesellschafter bei Nordic Legal, sagt:

    „Ich bin, gelinde gesagt, schockiert.“

    Er kritisiert, die Maßnahmen seien nicht evidenzbasiert. Es gebe zwar einen Anstieg der Spielsucht, doch stütze sich die Debatte „auf eine Studie, die mittlerweile drei Jahre alt ist und zu recht unklaren Ergebnissen kam“.

    Für ihn ist der politische Druck durch eine als überrepräsentiert empfundene Glücksspielwerbung treibend:

    „Die Menschen haben einfach genug von all den Glücksspielwerbungen, was wir auch verstehen. Es gibt zu viele davon.“

    Rønde sieht in der Werbung in dänischen Medien den einzigen verbleibenden Wettbewerbsvorteil lizenzierter Anbieter. Ansonsten gebe es für Lizenznehmer „nur Einschränkungen und Steuern“. Wenn Werbung wegfalle oder stark beschnitten werde, verschwinde dieser Vorteil:

    „Dann bleibt nichts mehr übrig außer dem Logo, das man auf seiner Website anbringen kann, um zu zeigen, dass man von den dänischen Behörden reguliert wird.“

    Warnung vor Marktverlusten und Schwarzmarkt

    Die Branche fürchtet gravierende Folgen. Rønde warnt, dass eine zu starke Beschränkung des legalen Angebots das Gleichgewicht kippen werde. Der Markt werde für Betreiber und Verbraucher unrentabel. Es drohten Marktverluste sowie eine Abwanderung zum Schwarzmarkt, so Rønde:

    „Das würde zu mehr Sucht und mehr Spielern führen, die in Schwierigkeiten geraten.“

    Als besonders brisant gilt die Angebotslücke bei beliebten Produkten. Rønde verweist auf Crash-Spiele, virtuelle Wetten und diverse verbotene Casinospiele, die im legalen Rahmen nicht verfügbar sind. Illegale Anbieter ließen sich aus dem Markt nicht fernhalten.

    Daten von H2 Gambling Capital beziffern die Kanalisierungsrate in Dänemark mittlerweile auf 72 Prozent. Das entspricht dem Niveau in Schweden. Historisch lag Dänemark 2022 bei rund 90 Prozent und damit in der europäischen Spitzengruppe. Rønde führt einen wesentlichen Teil des Rückgangs auf das Interesse der Spieler an den nicht erlaubten Produktkategorien zurück.

    Die jetzige Einigung war nicht die strengste der diskutierten Optionen. Zeitweise stand ein vollständiges Werbeverbot im Raum. Mehrere Parteien unterstützen ein solches Totalverbot weiterhin.

    Rønde hält fest, dass die aktuelle Lösung immer noch nicht ideal sei, aber weniger weit gehe als ein generelles Verbot. Länder wie Italien und die Niederlande hätten nach Werbeverboten einen explosionsartigen Anstieg illegaler Angebote erlebt.

    In Italien nimmt die Regierung inzwischen Teile des Verbots zurück, weil es zu einer Zunahme unlizenzierter Angebote für italienische Spieler geführt habe. Kritiker befürchten, dass Dänemark denselben Weg einschlagen und damit seine Kanalisierungsrate weiter schwächen könnte.

    Wirtschaftliche Folgen für Medien und Staat

    Die wirtschaftlichen Konsequenzen reichen über die Branche hinaus. TV2, der größte kommerzielle Fernsehsender Dänemarks und Inhaber der Rechte an Spielen der dänischen Fußball-Superliga, kalkuliert infolge des Werbeverbots mit einem potenziellen Umsatzrückgang von bis zu 12 Millionen Euro pro Jahr. Stig Møller Christensen, kaufmännischer Direktor von TV2, sagt:

    „Es sollte kein Geheimnis sein, dass die Regelung erhebliche finanzielle Folgen hat.“

    Frühere Berechnungen der Regierung deuteten auf Steuerausfälle in Höhe von mehreren hundert Millionen dänischen Kronen hin.

    Kritik aus Schweden und Appell an den Kanalisierungsgedanken

    Auch im benachbarten Schweden werden die dänischen Pläne aufmerksam verfolgt. Gustaf Hoffstedt, Generalsekretär des schwedischen Branchenverbands BOS, spricht von einem drohenden Abstieg vom europäischen Vorbild:

    „Dänemark war zusammen mit dem Vereinigten Königreich das Leuchtfeuer Europas, wenn es um den Schutz des Lizenzmarktes ging.“

    Die revidierte Schätzung von H2 mit 72 Prozent Kanalisierung sei völlig unbefriedigend. Dänemark solle sich stärker darauf konzentrieren, einen attraktiven legalen Lizenzmarkt zu schaffen, statt Maßnahmen zu ergreifen, die Verbraucher abschrecken. Nur so lasse sich der Verbraucherschutz tatsächlich stärken.

    Lücken bei der Bekämpfung illegaler Anbieter und Selbstregulierung der Branche

    Aus Sicht der Industrie fehlen im Maßnahmenpaket gezielte Initiativen gegen illegale Anbieter. Rønde begrüßt zwar die erzielte politische Einigung nach einer langen Phase der Unsicherheit und stimmt den Absichten zum Schutz junger Menschen zu.

    Er kritisiert jedoch die Art der Präsentation und die inhaltliche Stoßrichtung. Die Initiativen stellten nicht sicher, dass Spieler bei legalen Anbietern bleiben oder vor illegalen Angeboten geschützt werden. Besonders bei jungen Männern nehme das illegale Glücksspiel zu:

    „Es gibt keine Initiativen, die wirklich etwas dagegen unternehmen, wo sich die jungen Männer aufhalten.“

    Die Branche verweist auf zusätzliche eigene Anstrengungen.

    „Wir haben einen Verhaltenskodex eingeführt, der über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht. Wir haben sichergestellt, dass keine Zusammenarbeit mit Influencern stattfindet, die unzulässige Werbung betrieben haben. Wir haben eine Beschwerdestelle für Glücksspielwerbung eingerichtet.“ Man habe „viel mehr für eine bessere Rechenschaftspflicht getan, als es die Gesetzgebung vorsieht“.

    Der dänische Regulierungsansatz stand lange für Pragmatismus und hohe Kanalisierungswerte. Mit Spilpakken 1 beginnt eine neue Phase. Politik und Behörden setzen den Schwerpunkt auf Suchtprävention und Werbebeschränkungen.

    Die Branche warnt vor negativen Nebenwirkungen auf Markt, Medien und Staatseinnahmen sowie vor einem weiteren Abrutschen der Kanalisierung. Ob Dänemark sein Gleichgewicht zwischen Verbraucherschutz und einem attraktiven legalen Angebot bewahren kann, wird sich ab Januar 2027 zeigen.

    Quellen:

    Markedsforing

    Politiken

    tv2

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    Wenn aus dem Spiel Ernst wird: Aktuellen Studien zufolge liegt die Zahl der Personen, die Suchtverhalten beim Glücksspiel aufweisen, zwischen 134.000 und 416.000. Spielteilnahme erst ab 18 Jahren. Glücksspiel kann süchtig machen. Infos und Hilfe unter www.bzga.de.

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